BEN MACINTYRE: "EIN DORF IN DER PICARDIE"

Den ganzen Wahnsinn des Krieges im Kleinen, Menschlich-Allzumenschlichen zeigt der Roman "Ein Dorf in der Picardie" auf, den Ben Macintyre nach Tatsachen verfasst hat. Das Geschehen setzt im August 1914 ein, als die deutschen Truppen scheinbar unaufhaltsam im Norden Frankreichs vorrücken und das britische Expeditionsheer vor sich hertreiben. Vier Soldaten passiert es wie manchen anderen, dass sie versprengt werden und hinter die Frontlinien geraten.

Sie verstecken sich in dem unscheinbaren, abgelegenen Dorf Villeret und die Einheimischen verbergen sie unter großen Gefahren, obwohl sich die Deutschen hier einquartieren und als unangenehme Barbaren aufspielen. Die Region wird regelrecht ausgeplündert und die Zivilisten erleiden manche Drangsal. Hinzu kommt die fanatische Suche nach Spionen, als bald für viele Monate in diesem Fronabschnitt zwischen den Alliierten und der so genannten Siegfriedlinie militärisch ein weitgehender Stillstand eingetreten ist.

Doch während es den Dörflern zunehmend schlechter unter der Knute der Besatzer geht, verleben die vier vom Royal Hampshire Regiment vergleichsweise angenehme Tage beim Nichtstun. Die knorrige Eigenständigkeit der Einheimischen wird allerdings zusätzlich gereizt, als der galante Robert Digby ausgerechnet die ebenso schöne wie bis dahin unnahbare Claire erobert und sie im November 1915 sogar ein Kind von ihm bekommt. Digby ist ein stolzer Vater und verbirgt es auch nicht, so dass die Stimmung im Dorf umzuschlagen droht.

Selbst die exzellenten Recherchen des Autors in viel Archivmaterial und bei Befragungen von Nachfahren der Zeitzeugen brachten nicht heraus, wer die Briten nach 18 Monaten schließlich an die Besatzer verraten hat. Nur Digby entgeht vorerst den Häschern, die seine Kameraden umgehend als Spione zum Tode verurteilen. Aber: "Der Krieg schafft Helden und Schurken..." – trotz guter Fluchtchancen stellt sich Digby, um Claire und seine kleine Tochter vor den anstehenden Drangsalierungen durch die Deutschen zu bewahren. Kurz nach seinen Kameraden wird auch er hingerichtet.

Es mag nur eine unbedeutende Begegebenheit aus einem furchtbaren Krieg sein, dennoch bewegt sie in ihrer fesselnden Authentizität ähnlich wie jenes weltberühmte Anti-Kriegsepos "Im Westen nichts Neues", das teils in derselben Region handelt – einfach, weil es hier um die Leiden echter Menschen in einer fast unfassbaren aber wahren Geschichte geht.

 

# Ben Macintyre: Ein Dorf in der Picardie. Die wahre Geschichte einer Liebe im Krieg (aus dem Englischen von Martina Tichy); 320 Seiten, div. Abb.; Karl Blessing Verlag, München; € 22

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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