HEINER LINK: "FRL. URSULA"

Es gibt diese Bücher: reinschnuppern, sich sofort festlesen und ungeheuer amüsieren. So eines ist "Frl. Urusla", der nachgelassene Roman des 2002 tödlich verunglückten Heiner Link. Es sind gewissermaßen die Bekenntnisse eines Pseudo-Tiefstaplers über eigene und fremde Niederlagen im dauernden Kampf der Geschlechter miteinander.

Als eine Art Rebell aus der Doppelhaushälfte wechselt der Ich-Erzähler zwischen den Berichten wie dem von Freund Scherer und dessen lebenslangen Fehlzündungen und den eigenen Versuchen in Liebeshändeln mit deutlicher Bevorzugung der titelstiftenden Ursula. Irgendwie ist dieses ebenso attraktive wie seltsame Geschöpf von verwirrend flüchtiger und dann wieder überraschend zupackender Natur. Da geraten Annäherungsversuche schon mal zur zwerchfellerschütternden SitCom, wenn dem Anwärter stattdessen plötzlich die pralle Sarah auf den Leib rückt, obwohl er die doch gar nicht wollte.

Dabei weiß er sehr wohl, dass gerade kleinere Mängel eine Frau unglaublich sexy machen können. Das ist es ja, immer wieder wird er Opfer der Frauen und das sogar gern, weil doch stets Erotik mit hineinspielt. So wie es auch jeder in der Männerrunde im Golfclub in der ein oder anderen Version schildert. Ihr zwischenmännliches Fachsimpeln über das Sexualleben der Frauen kontrastiert dabei grandios mit jenem heldenhaften Versagen im Angesichte selbst herrlichster zwischenmenschlicher Verlockungen.

Dieses Feuerwerk an radikaler Selbstironie und kochentrockenem Witz, der oft aus der Hüfte schießt und das dann im letzten Moment, um alles wieder auf den Kopf zu stellen, tanzt auf einer dramaturgisch so schrägen Ebene, dass häufig kein Halten mehr ist vor Lachen über diesen skurrilen und auch gar nicht erfunden wirkenden Kosmos. Da glänzt das Abenteuer des Graffiti-Schmierers im Goldclub als große Prosa oder fast als Drehbuch mit verqueren Darlegungen von nüchtern sperriger Detailgenauigkeit, um im nächsten Augenblick mit dem Aufblitzen eines Höschen unversehens in die Exotik des maskulinen Mittelmaßes zu rutschen.

"Frl. Ursula" ist ein Buch der kleinen männlichen Katastrophen mit einem wunderbaren Hang zum feinen anarchischen Hintersinn und einem unentrinnbaren Drang zum Tragikomischen. Und wenn dem Ich-Erzähler schließlich doch noch die Vereinigung mit dem Fräulein gelingt, heißt es in genial romantischer Einfachheit: "Es war unheimlich schön." Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

 

# Heiner Link: Frl. Ursula; 223 Seiten mit Nachwort von Norbert Niemann; Rowohlt Verlag, Reinbek; € 17,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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