ANNIE PROULX: "MITTEN IN AMERIKA"

Annie Proulx ist die große Schriftstellerin, die jenes Amerika zum Thema macht, das uns ebenso unbekannt ist, wie es auch wiederum als typisch gelten darf. In ihrem jüngsten Roman "Mitten in Amerika" führt sie in den Bereich der 'panhandles', dort wo Texas und Oklahoma aneinandergrenzen und wo einst der 'echte' Wilde Westen mit riesigen Ranches und Viehherden war.

Bob Dollar heißt der junge Mann, den es in diese karge, menschenarme Gegend verschlägt, in der selbst die Engstirnigkeit auf texanische Weise großzügig verteilt zu sein scheint. Er ist 25, bei einem schrulligen Onkel aufgewachsen, nachdem ihn die Eltern als Kind einfach zurückgelassen hatten, und mit der Halbbildung eines mittelmäßig begabten Landeis hierher entsandt. Für einen großen Konzern soll er Farmer nach ihren Nöten aushorchen, um sie dann dazu zu überreden, ihr Land zur Einrichtung von Schweinemastbetrieben zu verkaufen.

Er schleicht sich ein und er hört unendliche Geschichten der Gegend, die von Dürre, Hitze, Tornados, eisigen Nordwinden und Wassermangel beherrscht wird. Und von Leuten, die störrisch, abweisend und streitlustig sind. Die Unterteilung in Gut und Böse, in Einheimische und die von vornherein verdächtigen Fremden, gehört ebenso zum gottesfürchtigen Leben der Leute wie die üble Nachrede und die hinterwäldlerische Sturheit. Im Radio nichts als Kirchenlieder, erlebt Bob ein spezielles, kauziges Universum hier im Bible-Belt.

Was der Tolpatsch auch versucht, natürlich kann er keinen der Landbesitzer überreden, an die verhassten Schweinemäster zu verkaufen. Dafür zeigt ihm der schräge Sheriff von Woolybucket seine Allmacht und Bob erfährt von der ungeheuren Bedeutung der allgegenwärtigen Windräder. Die Gründe für sein Scheitern haben dann etwas Märchenhaftes, doch hier, eben mitten in Amerika, ist selbst eine so filmhaft schöne Wendung zum Guten nicht außerhalb der unbegrenzten Möglichkeiten.

Trotz dieses Finales überzeugt der Roman durch seine Authentizität und wer einmal im Panhandle war, weiß, wie meisterhaft die Autorin die einzigartige Landschaft wiedergibt. Da stimmt jeder Bussard auf dem Strommasten und zugleich begeistert der episch breite Erzählstrom voller Anekdoten und Skurrilitäten. Die saftigen Klischees reizen teils zum Johlen wie bei jenen rebellischen US-Filmen, wo unsägliche Sheriffs lustvoll gedeckelt werden. Und zuguterletzt lernt man vielleicht sogar ein wenig besser verstehen, wie gewisse Texaner ticken, die es trotz ähnlicher Herkunft bis ins Präsidentenamt geschafft haben....

 

# Annie Proulx: Mitten in Amerika (aus dem Amerikanischen von Melanie Walz); 511 Seiten; Luchterhand Literaturverlag, München; € 25

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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