KARINE TUIL: "SCHAUMHOCHZEIT"

"Wäre sie nicht unsere Mutter, ich würde sie wegen seelischer Grausamkeit belangen!" Als Bruder Paul das zu seiner Schwester Emma sagt, weiß der Leser längst, dass diese aberwitzige Mutter ein despotischer Kotzbrocken ist, für den Gefühle nebensächlich und der Gehorsam der Kinder alles ist.

Zum Gehorchen gehört dann auch die "Schaumhochzeit" – so der Titel von Karine Tuils bitterbösem Roman – zu der Mutter Nina die Ich-Erzählerin Emma ebenso zwingt, wie sie dem gehätschelten Sohn die Familie heilig redet. Ausgerechnet wegen einer Deutschen will er seine Ehefrau verlassen, und das wagt er ihr zu bieten, der jiddischen Momme?!

Ebenso intensiv und selbstherrlich untersagt sie der immerhin 30 Jahre alten Emma die Liaison mit dem verheirateten Jules. Dabei hat die junge Frau sich in ihrem Leben eingerichtet, unabhängig durch den Job als Lektorin und recht zufrieden mit ihrer Daueraffäre ohne Kinderwunsch. Doch diese Geschichte ist so gnadenlos wie diese Mutter, die unerbittlich und notfalls heimtückisch mit der Peitsche des Schuldkomplexes regiert und ihre Kinder seit jeher zu seelischen Krüppeln geschrumpft hat. Welch eine Schadenfreude deshalb, als Mutter dann ausgerechnet am Grab des lange verstorbenen Ehemannes eine üble Überraschung erleben muss.

Gleichwohl, das monströse Muttertier hat längst gesiegt und es zeigt sich, wie zerstört selbst die vermeintlich unabhängige Ich-Erzählerin ist. Bis hin zu körperlichem Ekel geht ihre Abscheu vor Mutters Ehekandidat für sie, einen psychotischen Urologen, viel älter und unfähig zu normaler Konversation. Wenn es dennoch zum Kurzehedrama mit ihm kommt, ahnt man die masochistischen Auswüchse eines solchen Despotismus.