ULLA ACKERMANN: "MITTEN IN AFRIKA"

Man könnte es ungewöhnlich nennen, wenn die Tochter einer bürgerlichen Frau und eines Zigeunerclan-Chefs aus Köln mit 17 zu Verwandten in Italien flüchtet, später als 1,80 Meter große Schönheit über Jahre als Mannequin ein Glitzerleben führt und dann einen römischen Adeligen heiratet. Das wirklich Außergewöhnliche bei dieser Frau jedoch setzt erst ein, als aus Ulla Contessa Brunelli 1978 nach eher flüchtigem Studium an der Journalistenschule quasi über Nacht die Kriegskorrespondentin Ulla Ackermann wird.

"Mitten in Afrika" nennt sie ihren Lebensbericht, denn dorthin in das vom Wahnsinn erschütterte Uganda verschlägt es sie, weil ihr Vorgänger von Heckenschützen erschossen wurde. Nicht nur hier sieht und erlebt sie Szenen von unbeschreiblichen Grausamkeiten – ein Interview mit Idi Amin scheitert übrigens daran, dass das Monster nur besoffen rülpst. Sie erlebt ein Afrika, das nach Blut und Mord stinkt und dennoch auch mit der Wärme seiner Menschen, seinen Farben und Düften verzaubert. Der Untertitel heißt deshalb auch nicht von ungefähr "Zu Hause zwischen Paradies und Hölle."

Doch diese "Gesellschaftszicke", die zur hochgeachteten Kriegsberichterstatterin aus Somalie, Nigerai, Sudan und anderen Krisenherden wird, ist selbst von brodelnder Intensität. Mit ungeschönter, klarer Sprache berichtet sie emotional und schonungslos auch sich selbst gegenüber. Sie lässt die Faszination der Abrgündigkeit dieses vielfarbigen Kontinents erahnen. Sie ist ähnlich unruhig und unberechenbar, zwei Ehen zerbrechen, sie ist Getriebene und Suchende und sie durchleidet ihre größte persönliche Katastrophe nicht an einem Kriegsschauplatz, sondern als ihr drittes Kind, die zweijährige Marie, der Malaria zum Opfer fällt.

Aber auch die Bilder des immer wieder aufbrechenden Grauens an immer neuen Einsatzorten hinterlassen trotz aller Verdrängungsversuche Verletzungen der Seele. Zwar übersteht sie mancherlei Lebensgefahren, wird bedroht, verletzt. Als ein marodierender Soldat sie 1994 im kongolesischen Goma jedoch sogar gezielt schwer verwundet und sie beinahe erschießt, gibt sie die Karriere endgültig auf. Dennoch – nach kurzer Zeit in der deutschen Heimat kehrt sie zurück und lebt seither meist in Kenia, wo ihre Kinder sind, und nur zwischendurch in der Nähe des beschaulich deutschen Oldenburg.

Ulla Ackermann schreibt mit geradezu verwegener Offenheit und die Ausgewogenheit braver Fernsehmagazine ist ihre Sache nicht. Sie beschönigt nichts und nennt die Dinge beim Namen. Ihr Lebensbericht ist von großer athmosphärischer Dichte, sinnlich, lebensprall, oft erschreckend in Detailgenauigkeit und Direktheit. Das alles und die spannungsgeladene Dramaturgie machen dieses autobiographische Buch zu einer hinreißenden Lektüre – außer für Zartbesaitete.

 

# Ulla Ackermann: Mitten in Afrika; 288 Seiten; Hoffmann und Campe, Hamburg; € 21,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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