BERTOLT BRECHT: "HUNDERT GEDICHTE"

Bertolt Brecht (1898-1956) war und ist wohl unbestritten der wichtigste und bis auf den heutigen Tag einflussreichste unter den deutschsprachigen politischen Dichtern. In seinem umfangreichen Schaffen nahmen immer auch die Gedichte, Balladen und Liedertexte einen gewichtigen Raum ein. Um so verdienstvoller ist die Wiederauflage des Bandes "Hundert Gedichte", zumal die Erstaufgabe von 1951 (im selben, damals volkseigenen Verlag!) zur Textgrundlage genommen wurde. Ihre Auswahl traf seinerzeit Wieland Herzfelde und Brecht persönlich autorisierte diese Fassung.

Balladen, Kindergedichte, Lieder aus berühmten Stücken, Pamphlete und Lyrik aus dem Exil umfasst dieser Querschnitt aus der Zeit von 1918 bis 1950. Schon der 20-Jährige ließ gallige Satire aufblühen bei der "Legende vom toten Soldaten" am Ende des Ersten Weltkriegs, um dann bereits 1933 ahnungsvoll düster zu dichten "O Deutschland, bleiche Mutter! Wie sitzest du besudelt..." Immer wieder schrieb er Grandioses wider den Krieg und mahnte mit aggressivem Pathos: "General, der Mensch ist sehr brauchbar. Er kann fliegen, und er kann töten. Aber er hat einen Fehler: Er kann denken."

Nicht durchgehend ist es die meisterhafte Form, durch die seine lakonischen, präzisen und bildstarken Gedichte bestechen, berühren, bewegen, immer aber sind es die Inhalte. Seien es linke Kinderlieder, die grausige "Ballade vom Mazeppa", "Die Seeräuber-Jenny" oder das beklemmende "Lied einer deutschen Mutter" von 1944. Hochaktuelles aus der jeweiligen Zeit fasziniert mit der Schärfe von Gedanken und Wortwahl und natürlich steht Brecht links mit seinen Proletarier-Huldigungen und den politischen Pamphleten und Liedern.

Da ist dann selbst die skurrile Mär vom "Abbau des Schiffes Oskawa durch die Mannschaft" schlichtweg subversiv. Erstaunlich aber ist jener in lyrische Form gefasste Aufruf "An meine Landsleute", in dem er 1950 als Bürger der DDR mit Leidenschaft und brennendem Herzen jene viel spätere Botschaft der 'Schwerter zu Pflugscharen' vorwegnahm. Der Gedichtband ist eine Fundgrube an politisch-literarischen Kostbarkeiten und dass es die Ur-Fassung ist, macht ihn besonders wertvoll.

 

# Bertolt Brecht: Hundert Gedichte. 1918-1950; 269 Seiten; Aufbau-Verlag, Berlin; € 12,50

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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