JEROEN BROUWERS: "GEHEIME ZIMMER"

Er ist ein Ritter von der traurigen Gestalt, dieser suspendierte Geschichtslehrer Jelmer van Hoff, der als Ich-Erzähler von einer fatalen Amour fou berichtet, die weit mehr ist als nur die Ausgeburt einer simplen Midlife-Crisis. Die mongoloide Tochter lebt im Heim, Ehefrau Paula hält ihn seit langem auf Abstand und pflegt ein Verhältnis mit seinem Therapeuten. In diese triste Situation hinein fällt die Einladung des alten Studienfreundes Nico, der gerade zum Professor ernannt wird.

Mit Folgen für alle Beteiligten, denn Nicos Ehefrau ist Jelmers Jugendschwarm Daphne, eine exaltierte Operndiva. Es entspinnt sich ein seltsames Liebesspiel zwischen den Beiden, bei dem der Unglücksrabe Jelmer zum Spielball ihrer Selbstgefälligkeiten wird. Er leidet bis hin zu obsessiven körperlichen Träumen, denn immer wieder lockt sie ihn, um ihn dann jedesmal im letzten Moment zu vertrösten. Und sie macht ihn zum Mitwisser ihrer jahrelangen Ehebrüche: Nico komme nicht zu kurz, aber es gebe geheime Zimmer, in denen er nichts zu suchen habe.

"Geheime Zimmer" ist dann auch dieser bereits vielfach preisgekrönte Roman des Niederländers Jeroen Brouwers betitelt. Da hat die Liebe wenig Chancen auf Erfüllung, selbst wenn sie heimlich und verboten bleiben soll. Jelmer ist ein Getriebener, der sarkastisch und zuweilen auch bissig satirisch als Einziger in diesem Reigen von Unaufrichtigkeit, Eifersucht, Betrug und Verrat zumindest sich selbst gegenüber ehrlich und uneitel bleibt. Mag er Daphnes Imponiergehabe auch rettungslos verfallen, so durchschaut er doch ihr "schmerzliches Lügenmäulchen."

Und er erzählt eine Tragikomödie, in der wenig passiert. Zugleich jedoch ist das, was verhindert wird zu passieren, sogar noch spannender. Mit souveräner Sprachgewalt versteht der gewiefte Romancier eine Sogwirkung voller innerer Spannung bis zum spektakulären Finale aufzubauen. Schonungslos und direkt treffen die Sätze und bestechen dennoch durch Eleganz, wenn der Ich-Erzähler dem Leser fast spürbar nahe kommt. Da empfindet man durchaus Sympathie für diesen verliebten Verlierer, dessen Euphorie sich vorhersehbar und unweigerlich in die Trübnis geplatzter Illusionen verwandelt. Pathos? Ja, auch das, doch es gehört in dieses ebenso erlesene wie kräftig gewürzte Menü.

 

 

# Jeroen Brouwers: Geheime Zimmer (aus dem Niederländischen von Christiane Kuby); 430 Seiten; Deutsche Verlagsanstalt, München; € 24,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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