DANIEL KEHLMANN: "ICH & KAMINSKI"

Er ist schon ein cooles Bürscherl, dieser Sebastian Zöllner: Kunstkritiker mit wenig Ahnung aber grenzenlosem Selbstbewusstsein, jung, frech und mit starker Neigung zur Überschätzung seiner Fähigkeiten und seiner Wirkung speziell auf weibliche Menschen. So geartet, kommt ihm die Chance zu einer möglicherweise sensationellen Biographie über den ehemals großen Maler Manuel Kaminsiki gerade recht – wer außer ihm könnte den in seiner Bergfestung hausenden Alten rechtzeitig vor dessen Ableben schnell noch gewinnbringend über sein wahres Leben ausquetschen!

"Ich & Kaminski" nennt Daniel Kehlmann seinen dritten Roman und natürlich nennt sich Ich-Erzähler Zöllner zuerst. Mit grenzenloser Chuzpe überwindet er tatsächlich den Sperrwall, den Kaminskis Tochter um den bereits entmündigten Sonderling aufgebaut hat. Er entdeckt das Geheimnis der alten großen Liebe des Malers und sogar den Aufenthalt dieser Therese. Und er lockt Kaminski aus der Deckung, ja, er entführt ihn regelrecht zu einer Art schrägem Roadmovie.

Doch der Aufschneider versteht viel zu spät, dass ihm der verschrobene Alte nicht nur teilweise seelenverwandt sondern in der Gerissenheit des Ausnutzens auf knorrige Weise gar überlegen ist. Hat er nicht bedacht, dass Kaminski einst erst durch den Trick seines Galeristen als angeblich blinder Maler zur Berühmtheit gelangte? Und – ist Kaminski wirklich inzwischen erblindet?! Es ist Zöllner, der instrumentalisiert wird bis hin zum Autoklau und schließlich gar zur Selbstdemontage. Der ebenso weise wie verrückte Künstler aber bekommt sein Wiedersehen mit Therese, während für den Ich-Erzähler nur geplatzte Illusionen bleiben.

"Ich & Kaminski" ist eine souverän erzählte Geschichte mit viel Satire und einem Schuss Krimi, die durch die raffiniert gezeichneten Charaktere und immer neue, zuweilen hinterlistige Wendungen besticht. Da darf sich der düpierte Abstauber nur vorübergehend am eigenen Feuerchen der Eitelkeiten wärmen, denn das Leben hat sich von difizilerer Vielschichtigkeit erwiesen, als er es sich in seiner Yuppie-Weltsicht auszumalen imstande war. Da gerät es zum besonderen Lesevergnügen, wie es dem Autor gelungen ist, das Alles durch diesen an sich negativen Ich-Erzähler so herzerfrischend schnörkellos und beißend ironisch berichten zu lassen.

 

 

 

# Daniel Kehlmann: Ich & Kaminski; 174 Seiten; Suhrkamp Verlag, Frankfurt; € 18,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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