GERHARD SEYFRIED: "HERERO"

Schon im Ersten Weltkrieg verlor Deutschland alle seine Kolonien und das ist mit ein Grund, warum nur wenig davon im Gedächtnis geblieben ist, dass nicht nur Briten und Franzosen ihre ‚Schützlinge’ ausbeuteten und bei Bedarf auch mit militärischer Überlegenheit niedermachten. In Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, waren es 1904 die Hereros, die bis zu 80 Prozent ausgerottet wurden.

Was damals wirklich geschah, hat nun der weltweit bekannte Comiczeichner Gerhard Seyfried in seinem ersten Roman unter dem Titel "Herero" ebenso episch breit wie spannend beschrieben. Als Kunstfiguren dienen der soeben in die Kolonie entsandte Kartograph Carl Ettmann und die Fotografin Cecilie Orenstein dem dramaturgischen Zusammenhalt der in jahrelanger Arbeit recherchierten Verhältnisse und Ereignisse. So überzeugt die Schilderung mit hoher Authentizität, zumal die meisten der Protagonisten tatsächlich existiert und vor Ort gewirkt haben.

Am 12. Januar 1904 erheben sich die Hereros überraschend gegen die deutschen Herren zu einem blutigen Aufstand. Seit längerem übervorteilen die Kolonialherren die Eingeborenen im Handel, zu dem diese sich von den verführerischen Sachen bis zur völligen Verschuldung hinreißen lassen. Da ihnen Geld nicht zur Verfügung steht, zahlen sie mit Vieh und Land und müssen allmählich zunehmend um ihre Existenz fürchten. Die Grenze wird überschritten, als im Herbst 1903 auch noch unzumutbare Reservate für den Stamm festgelegt werden. Sie schlagen zu, als die deutsche Schutztruppe sich zum größten Teil im Süden mit aufständischen Hottentotten um den Rebellen Hendrik Witbooi rumschlägt.

Ettmann als Reserve-Artillerist wird zur schwachen Resttruppe eingezogen und durchlebt die Monate des Aufstandes. Dieser erhält seine entscheidende Wende, als Generalleutnant von Trotha den Befehl übernimmt. Im Gegensatz zu Gouverneur Leutwein, dem der Erhalt der Arbeitskraft der Eingeborenen für die Kolonie wichtiger ist als deren totale Unterwerfung, denkt der rabiate Haudegen von Trotha nur in militärischen Mustern und setzt sich rüde durch. Im August 1904 werden die Hereros am Waterberg geschlagen. Es ist aber nicht wirklich die Ruhmestat, wie von Trotha sie dem Kaiser meldet. Stattdessen krönt er seine Barbarei mit dem berüchtigten Schießbefehl gegen alle Hereros. Zehntausende sterben in der wasserlosen Omaheke-Wüste und weitere später in Konzentrationslagern.

Autor Seyfried hat dieses verdrängte Kapitel deutscher Kolonialgeschichte hervorragend als Roman umgesetzt. Da besticht er einerseits mit einem an Lothar Günther Buchheim erinnernden Berichterstatterstil und andererseits kommt ein selten intensives Maß an Zeit- und Lokalkolorit hinzu, das von der gelungenen Anlehnung von Sprache und Sichtweisen an die damaligen Verhältnisse gekrönt wird.

 

# Gerhard Seyfried: Herero; 603 Seiten, div. Abb.; Eichborn Verlag, Frankfurt; 29,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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