BIRKEFELD/HACHMEISTER: "WER ÜBRIG BLEIBT, HAT RECHT"

"Erst kommt das Fressen, dann die Moral", stellte Bertolt Brecht einst fest. Richard Birkefeld und Göran Hachmeister beweisen in ihrem Romandebüt "Wer übrig bleibt, hat recht", dass in Endzeiten wie in Berlin um die Jahreswende 1944/45 selbst diese nüchterne Einschätzung des Menschen noch viel zu hoch gegriffen ist.

Da ist dem Ladenbesitzer Haas, der wegen des Vorwurfs der Wehrkraftzersetzung ins KZ Buchenwald gekommen war, die Flucht gelungen. Nun sucht er nach denen, die ihm alles genommen haben und sogar den Tod von Frau und Kind im Bombenhagel verschuldet haben. Als Rächer zieht er eine hasserfüllte Spur durch Berlin. Mag er auch unpolitische Motive für seine brutalen Morde haben, so ist jedoch ein ranghoher Parteifunktionär unter den Opfern und deshalb schaltet sich nun das Reichssicherheitshauptamt ein.

Für SS-Sturmbannführer Kalterer ist der Aufklärungsauftrag nach seinen Einsätzen hinter der Front und in KZs eine willkommene Möglichkeit, endlich wieder echte Polizeiarbeit zu leisten. Den Karrierekriminalisten bedrückt schwer, dass seine Frau Merit ihn wegen seiner 'Spezialeinsätze' verlassen hat. Kalterer jagt Haas und kommt ihm immer näher auf die Spur, tatsächlich aber sind ihm längst das nackte Überleben und die Suche nach der vermissten Merit existenziell wichtiger geworden.

Das Geschehen wächst sich zum blanken Wahnwitz aus, denn Berlin liegt unter täglichen Luftangriffen und die Grauen des Bombenkrieges packen ebenso wie diese Irrsinnsmischung aus verschärftem Standrecht und der allenthalben um sich greifenden Anarchie. Da verschwimmen die Grenzen zwischen Opfern und Tätern und der Frage nach Gut oder Schlecht wird in dieser Endzeitstimmung gänzlich der Boden entzogen.

Das Buch ist ein böser und kalter Thriller, obwohl er ausgesprochen emotional geschrieben ist und den Leser manche krasse Empfindung mitfühlen lässt. Schilderungen von SS-Verbrechen in den Lagern entlarven in ihrer unbarmherzig klaren Sprache die ganze Herrenmenschen-Widerwärtigkeit und steigern die Beklommenheit über die Melange aus Biedersinn und Grausamkeit jener Schergen des Regimes. Das hervorragend recherchierte Zeit- und Lokalkolorit ist dabei ein Garant für die authentische Qualität des Romans und die Autoren stellen ihr profundes Wissen als Historiker mit Schwerpunkt Alltagsgeschichte im Nationalsozialismus unter Beweis.

 

 

# Birkefeld & Hachmeister: Wer übrig bleibt, hat recht; 442 Seiten; Eichborn Verlag, Frankfurt; € 22

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

 

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