PHILIP ROTH: "DAS STERBENDE TIER"

Einmal mehr fesselt Philip Roth mit einem Drama um einen alternden Mann. "Das sterbende Tier" heißt der Roman und Ich-Erzähler ist David Kepesh, ein reifer Kulturkritiker und Dozent. Experimentierfreudig widmet er sich den erotischen und ästhetischen Leidenschaften, oder wie er es nennt "der männlichen Emanzipation". So gelingt es ihm tatsächlich, auch die hinreißende Studentin Consuela zu erobern, und doch entwickelt sich diesmal alles anders als je zuvor.

Von der ersten Berührung ihres hochfemininen Körpers an entsteht in ihm eine brennende Eifersucht, ja, Besessenheit, denn er ist sich ihrer nie sicher. Und wie nie zuvor wird der Unterschied zur Jugend schmerzlich bewusst, denn er ist 62 und diese Tochter reicher Exil-Kubaner 24: "Woher ich weiß, dass ein junger Mann sie mir wegnehmen wird? Weil ich einst der junge Mann war, der es getan hätte." Fast zwei Jahre aber ist er ihr Maestro und er schildert offen und anschaulich die Schule der Erotik, die er der körperbewussten Frau mit den wunderschönen Brüsten zuteil werden lässt.

Dieser 'Professor der Begierde', als den ihn sein bester Freund bezeichnet, ist ein unersättlicher Satyr, der zwischendurch auch noch die lässigen Vergnügungen mit einer Geliebten von früher genießt. Und diese Carolyn erinnert ihn an jene Aufbruchzeit in den 60ern, als im Laufe der sexuellen Revolution auch "der Anspruch auf Lust demokratisiert wurde". Das sind spannende Erzählungen, in denen er selbstkritisch zugibt, wie schnöde er seinerzeit Frau und Sohn verließ. Aber er steht dazu, denn langjährige Ehen hält er für einen Graus: "Die masochistische Härte, die man dafür braucht, ist ehrfurchtgebietend."

Gleichzeitig legt er jedoch ein Bekenntnis zu seinem Lebensstil ab, denn er sei ein ganz und gar von seiner Sexualität bestimmter Mensch. Dabei offenbart er sich als ein Chauvinist, der die Frauen wirklich liebt. Um so heftiger leidet er, als er Consuela schließlich verliert. Als es nach einigen Jahren zu einem Wiedersehen kommt, wird die bedrückende Gewissheit des nun 70-Jährigen über die Unabwendbarkeit der Vergänglichkeit auf schicksalhafte Weise auf den Kopf gestellt: die Schöne ist krebskrank und hat den alternden Mann womöglich in der Nähe zum Tod quasi überholt.

"Das sterbende Tier" ist ein außergewöhnliches, tief beeindruckendes Buch von hoher intimer Vertraulichkeit und ebenso anspruchsvoll wie anrührend mit viel Lebensweisheit. Bleibt die Frage, wie viel Autobiographisches man in Roths jüngstem Meisterwerk vermuten darf – auch er wird im März 70 Jahre alt....

 

 

# Philip Roth: Das sterbende Tier (aus dem Amerikanischen von Dirk van Gunsteren); 168 Seiten; Carl Hanser Verlag, München; € 16,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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