NORBERT F. PÖTZL: "ERICH HONECKER"

Erich Honecker schuf einst "die größte DDR der Welt" und war zugleich mit Schuld an ihrem Untergang. Als er am 8. Oktober 1989 den Aufmarsch von Panzern gegen die Montags-Demos befehlen wollte, redeten ihm Egon Krenz und General Streletz das mit wenigen Argumenten aus. Honeckers Antwort, die für den Lauf der Geschichte von größter Wichtigkeit wurde: "Na, denn nicht."

So schlicht und unbedarft wie diese Reaktion in höchster Gefahr für den Bestand seines Regimes war typisch für den hölzern wirkenden und rhetorisch blassen Poltiker. Wie aber konnte ein derartig mittelmäßiger Mann 1971 den gewieften Walter Ulbricht entmachten, die bis dahin isolierte DDR auf die Weltbühne führen und sich 18 Jahre an der Spitze halten? SPIEGEL-Redakteur Norbert F. Pötzl versucht das in seiner Biographie "Erich Honecker" zu ergründen.

Wenn da behauptet wird, der 1912 geborene Honecker sei Dachdecker gewesen, so ist das nur halb richtig, denn er schloss die Lehre nicht ab. Sein wirkliches Gesellenstück lieferte er erst 1961 mit dem von ihm organisierten Bau der Mauer ab und krönte es zehn Jahre später als raffinierter Ränkeschmied, indem er Ulbricht unter Einschaltung Leonid Breschnews absägte und in allen Ämtern beerbte. Dieses Fädenziehen im Hintergrund war seine eigentliche Stärke und bis zuletzt das Prinzip seines Machterhalts.

Der Autor belegt das unter anderem anhand von Aussagen zahlreicher Personen aus dem unmittelbaren Umfeld des begeisterten Verehrers von Sowjetunion und Stalin, der dennoch zugleich liberale Tendenzen einführte, die dem System gefährlich wurden, als er die Bürger mit immer mehr Konsum zufriedenstellen wollte, was aber nur durch eine zunehmend ruinöse Subventionspolitik möglich war.

Die privaten Lebensumstände, das ständige Lechzen nach Anerkennung und das sichtlich sentimentale Heimatgefühl beim Besuch im Saarland von 1987 zeigen einen eher einfach strukturierten Kleinbürger Honecker. Machtbewusstsein, taktische Begabung und der unterwürfige Umgang mit dem großen Bruder in Moskau hatten aus 'Honi' gleichwohl einen Staatsmann werden lassen, der so recht zum preußisch-spießigen Mief seines Staatsgebildes passte. Da wird selbst sein Abgang dann zur Realsatire, als er auf der entscheidenden Politbürositzung am 17. Oktober 1989 konsequent beim Sowjetprinzip einstimmiger Beschlüsse bleibt und selbst mit für die eigene Entmachtung votiert.

Sein Ende jedoch ist eher peinlich für das geeinte Deutschland als Rechtsstaat, als dieses ihm partout noch den juristischen Garaus machen will und ihn dann doch laufen lassen muss, weil er längst auf den Tod krank ist. Der Autor erlebte jenen Flug ins Exil an Honeckers Seite mit, seine einzige persönliche Begegnung mit dem Sonntagskind aus Wiebelskirchen im Saarland, das 81-jährig an einem Sonntag im fernen Chile starb.

"Eine deutsche Biographie", wie Pötzl das Buch im Untertitel nennt? Ja, denn Honecker prägte ein Stück Geschichte Deutschlands wesentlich mit, auch wenn er dies im Sinne des Wortes nur einseitig tat. Zugleich erscheint sein Pörträt wohltuend sachlich und detailliert, wohl nicht zuletzt, weil der Autor als Westdeutscher nicht unter dem System leiden musste und sich dem Thema mit der kühlen Distanz des Journalisten widmete.

 

# Norbert F. Pötzl: Erich Honecker. Eine deutsche Biographie; 384 Seiten, div. Abb.; Deutsche Verlagsanstalt, München; € 24,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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