DOUGLAS COUPLAND: "ALLE FAMILIEN SIND VERKORKST"

Der kanadische Generation-X-Autor Douglas Coupland hat wieder zugeschlagen und das Ziel seiner monströsen Kritikasterei ist diesmal direkt Amerikas Urzelle der Gesellschaft schlechthin: "Alle Familien sind verkorkst". Wer jemals US-Familientümelei für langweilig erachtete, hier bekommt er das Gegenteil serviert, mit tiefschwarzem, grimmigem Humor und ohne jede Scheu vor noch so absurden Verstrickungen.

Es ist das Jahr 2001 und die Drummond-Familie ist erstmals nach zehn Jahren wieder versammelt, denn Tochter Sarah – einziger Hoffnungsträger in der schrillen Truppe – soll als Astronautin von Cape Canavaral in den Weltraum starten. Was sich dazu jedoch in Florida einfindet, ist selbst für amerikanische Verhältnisse ein Gruselkabinett von Familie. Das beginnt schon bei Vater Ted mit der kaputt gesoffenen Leber, der ein widerwärtiger Bankrotteur ist und sogar auf den eigenen Sohn schießt, weil der mit der Stiefmutter angebandelt hat. Prompt schlägt die Kugel durch die Leber des aidskranken Wade hindurch bis zu dessen hinter ihm stehenden hilflos nervigen Mutter, so dass nun gleich drei in der Familie HIV-positiv sind.

Wades Frau wiederum hat einen schlimmen religiösen Fimmel, während der jüngere Bruder Bryan suizidanfällig ist und nur noch wegen der Hoffnung auf Nachwuchs lebt. Allerdings ist seine cholerische Frau Shw (den Namen hat sie selbst erwählt) nicht nur schwanger sondern auch mega-bescheuert und hat das Kind bereits heimlich verkauft. Abgesehen davon, dass auch die Hochglanz-Tochter Sarah als Contergan-Kind einen wenn auch nur körperlichen Makel hat, treten hier nebenher dann noch einige mehr als schräge Nebenfiguren auf.

Und es gibt Handlungsstränge in großer Zahl und Verrücktigkeit, sei es der echte Abschiedsbrief von Prinz William an seine Mutter Diana, den man der Familie abluchst, seien es Entführungen, Aidsheilungen per Blutsbrüderschaft oder die Rettung von Vater Ted und Mutter Janet, die mit Handschellen aneinander gefesselt im Sumpf zu versinken drohten. Wo diese Familie ist, da ist auch das Chaos, da herrscht ein Wahnsinn, als habe der Autor sämtliche Irren seiner bisherigen Romane endlich zu einer Familie vereinen wollen.

Als Gesellschaftskritik ist das misslungen, weil den Charakteren vor lauter Brachialhumor die nötige Tiefenschärfe vorenthalten bleibt. Wer aber einfach einen haarsträubenden, unverschämten und rundum verrückten Roman mit halsbrecherischen Eskapaden und einer knochentrocken zupackenden Sprache zu goutieren weiß, der wird sich köstlich amüsieren.

 

# Douglas Coupland: Alle Familien sind verkorkst (aus dem Amerikanischen von Tina Hohl); 336 Seiten; Hoffmann und Campe, Hamburg; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

 

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