GIUSEPPE GENNA: "IM NAMEN VON ISMAEL"

Am 27. Oktober 1962 wird in Mailand unterhalb eines Partisanendenkmals die Leiche eines geschändeten Kleinkindes gefunden. Der junge Inspektor Montorsi versucht zu ermitteln, doch hohe Stellen mauern oder behindern ihn sogar. Am gleichen Tag aber beginnt auch Ismael sein finsteres Werk.

"Im Namen von Ismael" ist der Titel des brachialen Debütromans des italienischen Terrorismus-Experten Giuseppe Genna und was in Ismaels Namen geschieht, ist wahrhaft teuflisch und beängstigend. Ismael war der verstoßene Sohn Abrahams und er gilt als der Stammvater der Araber. Und hier? Ist Ismael ein religiöser Fanatiker, ein Sado-Maso-Club oder eher eine Geheimdienstoperation amerikanischer Kreise? Alles scheint möglich und Montorsi gerät in Ismaels Fadenkreuz, als er einen Zusammenhang zwischen der Ermordung des Kindes und der des Wirtschaftskapitäns Mattei zu erkennen meint.

Ismael reagiert grausam, indem er den hartnäckigen Ermittler auf barbarischen Umwegen 'infiziert'. Dann springt die Zeitebene auf die Gegenwart von 2001, in der der recht schräge Inspektor Lopez – wie Montorsi in Mailand – mit Ismael zu tun bekommt. Er ist keinen Schritt näher an Ismael herangekommen, obwohl Montorsi seinerzeit sogar meinte, ihn beseitigt zu haben, als er den mysteriösen Gerichtsmediziner Arle erschoss.

Die Sprünge zwischen den beiden Ebenen und ihren Protagonisten führen in eine geradezu klaustrophobische Hetzjagd nach einem realen Phantom und den "getreuen Schülern Ismaels", die extrem geheim arbeiten, das jedoch präzise und mit kalter, zweckorientierter Grausamkeit. Als besonders makaber eröffnet sich allmählich die ganze Kette von ermordeten Kleinkindern: es wird jeweils eines "geopfert" als Auftakt für ein Attentat auf wichtige Persönlichkeit wie Politiker, Wirtschaftslenker und ähnliche.

Bis offenbar wird, dass Ismael mehr ist als eine mächtige Person, er ist eine geheime und scheinbar allgegenwärtige Macht und US-Geheimdienste haben ihre Finger mit im Spiel und selbst Henry Kissinger hat eine dubiose Rolle im Geschehen. Da heißt es dann, Bush senior und Gorbatschow waren die Macher, als seinerzeit Mauer und Sowjetreich fielen. Aber: "Nach ihnen würde das Reich des Bösen kommen – das Reich Ismaels".

Dieser furiose Thriller ist ungewöhnlich realitätsbezogen und zugleich deutlich antiamerikanisch geprägt. Das nimmt ihm jedoch nichts von seiner beklemmenden Rasanz und Qualität. Ein überzeugendes Debüt, das ein gewisses Unbehagen hinterlässt: möge Ismael auf ewig reine Fiktion bleiben...

 

# Giuseppe Genna: Im Namen von Ismael (aus dem Italienischen von Friederike Hausmann und Maja Pflug); 573 Seiten; Diogenes Verlag, Zürich; € 24,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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