IMRE KERTESZ: "DER SPURENSUCHER"

Die Ehrung mit dem Literaturnobelpreis 2002 überraschte den ungarischen Schriftsteller Imre Kertész bei den Arbeiten an seinem neuen Roman "Die Liquidation", der im Sommer 2003 erscheinen soll. Die Zeit bis dahin überbrückt sein neuer Verlag nun mit der Sonderveröffentlichung "Der Spurensucher". Diese Erzählung erschien bereits einmal 1999 in dem Erzählband "Die englische Flagge", hier jedoch ist sie solitär gefasst, vor allem aber mit einem aufschlussreichen aktuellen Nachwort des Autors versehen.

Kertész weist darin auf die Entstehungszeit des "Spurensuchers" hin, denn diesen Bericht eines Abgesandten hat er gewissermaßen nebenher geschrieben, als er in den 60er Jahren an seinem jetzt preisgekrönten zentralen Holocaust-Werk "Roman eines Schicksallosen" arbeitete. Es gab eine Möglichkei, das Konzentrationslager wiederzusehen, in das er 1944 verschleppt worden war. Er habe es als früheren Schauplatz seines Lebens gesehen, jedoch erkennen müssen, dass Vergangenheit nicht wiedererlebbar ist: "Ich bin als Fremder über fremde

Schauplätze geirrt."

Weder habe er draußen etwas gefunden noch innen etwas gefühlt und darüber die Vergänglichkeit aller Dinge begriffen. Aus diesem Empfinden heraus sei der "Spurensucher" entstanden als ein schwer zugänglicher Nachklang zum "Roman eines Schicksallosen". Und es hat sowohl sprachlich wie inhaltlich viel Kafkaeskes, was jener Gast aus dem fremden Land erlebt, bevor er zum ehemaligen KZ gelangt und auch wenn er es mit einer seltsamen Enttäuschung hinter sich lässt.

Die Vergangenheit ist abgeräumt, es gibt nichts, das noch einmal zu erleben und diesmal zu besiegen wäre. Der Abgesandteals Alter Ego des Autors muss damit fertig werden und sei es, indem er sich banalen Dingen des Alltags zuwendet. Ein beklemmendes kleines Buch eines großen Meisters von Wort und Inhalt, das dunkle Geheimnisse von Leben, Überleben und Vergänglichkeit ein wenig lüftet. Aber nur ein wenig.

 

 

# Imre Kertész: Der Spurensucher (aus dem Ungarischen von György Buda); aktuelles Nachwort des Autors; 144 Seiten; Suhrkamp Verlag, Frankfurt; € 11,80

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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