LAURA CLARIDGE: "TAMARA DE LEMPICKA"

Sie war hemmungslos narzisstisch mit Hang zu dramatischer Selbstinszenierung, sie war attraktiv mit unersättlichem Hang zu Männern und Frauen, vor allem aber war sie eine ebenso rätselhafte wie faszinierende Künstlerpersönlichkeit: Tamara de Lempicka (1895-1980).

Es gibt wenig schriftlich Hinterlassenes und auch die Daten über ihre Herkunft enthüllen nur schwer, dass sie vornehmer polnischer Herkunft war, in Moskau geboren wurde und 1918 vor dem Kommunismus nach Paris floh. Um der Verarmung zu entgehen, beginnt sie zu malen und gelangt vor allem zwischen 1925 und 1935 als Ikone des Art Déco zu Ruhm und Wohlstand. Kritiker bescheinigen ihr eine "beunruhigende Präsenz" und Maßlosigkeit prägt ihr künstlerisches wie ihr Privatleben.

Um so verdienstvoller ist die akribisch recherchierte Biografie von Laura Claridge, die dieses dramatische, exaltierte, schillernde Leben einer selbstbewussten und dennoch auch für Depressionen anfälligen Frau spannend ausbreitet. Mancher Schleier war trotz der Verwendung bisher ungesichteten Archiv- und Quellenmaterials nur unvollkommen zu lüften, denn die willensstarke Künstlerin lebte in einer dauernden Verschleierungsstrategie und ließ den Schein über das allerdings nicht minder exzessive Sein triumphieren.

Ihrem berserkerhaften Schaffensdrang entsprangen Werke von überwältigender Gegenwärtigkeit. In ihrem früh entwickelten klassizistisch gefärbten neo-kubistischen Stil setzte sie Eckpunkte vor allem mit den berühmten Akten und Porträts, die zumeist von kühler, unnahbar wirkender Erotik geprägt waren. Eigensinnigkeiten der Künstlerin verhinderten jedoch die ganz große Anerkennung seitens der Kunstwelt, unbestritten aber blieben ihre geniale technische Virtuosität und die Meisterschaft, Illusionen von Licht zu erzeugen.

Als die Halbjüdin später in die USA emigrierte, litt sie dort unter der mangelnden Anerkennung mit ihrem weiteren, weniger hochrangigen Schaffen. Erst nach ihrem Tode erzielten frühe Werke wie "Adam und Eva" oder "Autoporträt" den Durchbruch. So rundet sich diese Biografie zu einem Lebensroman, den man bunter nicht hätte erfinden können. Meisterhaft geschrieben, beeindruckt das Werk außerdem mit viel Zeit- und Lokalkolorit.

 

# Laura Claridge: Tamara de Lempicka – Ein Leben für Dekor und Dekadenz (aus dem Amerikanischen von Irmengard Gabler); 477 Seiten, div. Abb.; S. Fischer Verlag, Frankfurt; € 24,90 WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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