SIBYLLE BERG: "GOLD"

Hoffnungslos sensibel und heillos scharfsichtig, Panzer um die Seele und Gift auf der spitzen Zunge, lasziv niedermachender Blick und eine Attraktivität, die ernsthafte Männer dümmlich labern und sabbern lässt. Zu mancher Leute Leidwesen obendrein Journalistin und Schriftstellerin – Sibylle Berg, wer sonst!

Nun beglückt sie Freund und Feind (wer mag zahlreicher sein?) mit einer Sammlung der schönsten Perlen aus ihren Kolumnen, Reportagen und Essays. "Gold" heißt das Büchlein ganz bescheiden und sie nennt es selbst eine Art intelligent geschmückten Weihnachtsbaum. Doch es enthält auch diverse Abdrucke heftiger Kritiken an ihren Arbeiten, denen man anmerkt, wie gut es doch ist, dass Schreiber und Leser einander nach erfolgter Lektüre zumeist nicht wiedersehen. Schon um der Gesundheit willen. Der des Schreibers.

Immerhin gelingt es den wenigsten Menschen wie Sibylle Berg, ihre Geburtsstadt, an der sie sich so mühsam bis zum Erwachsenwerden hochgelitten haben, später einmal derartig knurrig und schonungslos zu demaskieren. Sie hat es dem schönen Weimar angedeihen lassen. Damals zu DDR-Zeiten noch spießiger als ohnehin. Trotz Goethe. Nach Wien darf sie allerdings auch nicht mehr kommen. Auch zu garstig gewesen.

Aber nach Castrop-Rauxel. Angeblich. Obwohl sie dort als Enthüllungsjournalistin war. Die würden sie wieder reinlassen. Schwer zu begreifen nach der genial saumäßigen Story. Ob die Leute dort denn gar keinen Stolz... Mit ähnlich sezierendem Blick hat sie einst auch den Kanzleraspiranten Schröder auf Bürgerbesabbelungstour begleitet. Im Buch ist das sinnigerweise unter der Rubrik "Alles über böse Menschen" eingeordnet. Wie sie ja sowieso zum süffisanten Niedermachen neigt.

Um so herber trifft die brillante Satire "Bangladesch - Ist das Glück" über das angeblich glücklichste Volk der Welt, das der Professor Robert Worcester in diesem Elendsstaat ausgemacht haben will. Das ist die Stärke dieser hochintelligenten Dame, die für manche Leute aus gutem Grunde eine blonde Hexe ist, dass sie unter viel Rotzigkeit und aggressiver Attitüde ein feines Gespür für Stimmungen und nicht Stimmendes verbirgt.

Sie schreibe "gefühlserzeugende Stories", sagt Sibylle Berg. In der Tat, egal, wie man die findet, sie lassen selten gleichgültig. Und wem sie nicht gefallen, den machen sie wenigstens sauer oder wütend. Was schließlich auch nicht jedem Autor gelingt.

 

# Sibylle Berg: Gold; 266 Seiten; Campe Paperback, Hamburg; 24,90 DM

(öS 184,-/sFr 23,00/€ 12,73)  WOLFGANG A. NIEMANN  (wan/JULIUS)

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