GABRIELE HOFFMANN: "DIE SCHIFFBRÜCHIGEN"

Ende 1628 segelten sieben Schiffe der mächtigen Vereinigten Ostindien Company von Holland nach Sumatra. Flaggschiff war die "Batavia" unter Kapitän Arian Ja-cobs, eines der größten Schiffe ihrer Zeit. Als Komman-deur fungierte der ehrgeizige Francisco Pelsaert. An Bord des stolzen Schiffes drängten sich über 300 Menschen, denn außer der Besatzung und Soldaten waren auch Kaufleute, Handwerker und Siedlerfamilien auf dem Weg zu den reichen Kolonien. Mindestens ebenso wichtig aber waren die Geldkisten, eine Schatztruhe, kostbare Stoffe und eine Ladung Waffen. Nach Monaten hatten die Frühlingsstürme die "Batavia" am Kap der Guten Hoffnung von den anderen Schiffen getrennt. Da geschieht am 4. Juni 1629 durch Fahrlässigkeiten das Unglück: die see-tüchtige "Batavia" läuft auf ein Riff, fernab dem spä-ter entdeckten Australien. Wegen der wertvollen Ladung setzen sich Kapitän und Kommandeur samt Besatzung mit einer Schaluppe ab, um Hilfe aus den Kolonien zu holen. Die übrigen Überlebenden überlassen sie ihrem Schick-sal. Deren erschütternde Leidenszeit schildert Gabriele Hoffmann in ihrem Roman "Die Schiffbrüchigen". Darin schafft die Historikerin eine an Dramatik kaum zu über-bietende Nähe, indem sie den ehemaligen Ritter von Eck als Ich-Erzähler aus den echten, überlieferten Journa-len des Kommandeurs Pelsaert vortragen lässt. Rund 250 Menschen gelangen auf die "Batavias Friedhof" genannte Insel und schon bald breitet sich eine anar-chische Ordnung aus, denn Proviant und Wasser sind knapp und niemand kann irgendwem ausweichen. Der wendi-ge Jeronimus Cornelisz schwingt sich zum Herrscher eines Inselrates auf und schickt fast 100 Menschen auf die beiden ähnlich trostlosen Nachbarinseln. Mit seinen "Erwählten" errichtet er ein Schreckensregiment mit einem faschistoiden Sozialdarwinismus, in dem die Schwachen nicht zu Lasten der Starken durchgefüttert werden sollen. Ansonsten herrschen Sittenlosigkeit, Rohheit und Brutalität. War das bloße Überleben ohnehin schwierig, dezimieren Cornelisz' Schergen mit unfassbarer Mordlust die Gestrandeten und machen selbst vor Kindern nicht halt. Menschen verschwinden spurlos und auf der einen Nachbarinsel werden 40 Menschen bei Nacht die Hälse durchgeschnitten. Als am 17. September 1629 tatsächlich das rettende Schiff aus Batavia kommt und Ritter von Eck dessen Kapitän vor einer drohenden Kaperung durch die "Erwähl-ten" warnen kann, werden die Verbrecher gefangen und abgeurteilt. Ihrem Blutrausch sind 125 Menschen zum Opfer gefallen, während auf der "Hohen Insel" 50 Schiffbrüchige in einer gesunden Ordnung überlebt ha-ben. Die Geretteten aber müssen noch zwei Monate aus-harren, denn Kommandeur Pelsaert führt nicht nur peni-bel Gericht, für seine Ehrenrettung benötigt er außer-dem die Bergung der Schätze der "Batavia". Das Alles beruht auf Tatsachen und der Autorin ist es meisterhaft gelungen, diese auf ebenso packende wie filmreife Weise so darzulegen, dass es den faszinierten Leser ein ums andere Mal schaudert.

 

# Gabriele Hoffmann: Die Schiffbrüchigen; 251 Seiten; Europa Verlag, Hamburg; 19,90 €

WOLFGANG A. NIEMANN  (wan/JULIUS)

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