°YASMINA KHADRA: "WOVON DIE WÖLFE TRÄUMEN"

"Wovon die Wölfe träumen" ist ein Buch des Schreckens und das Furchtbarste an ihm ist die absolute Realitätsnähe zu dem Bürgerkriegswahnsinn, der in den 90er Jahren Algerien erschütterte und über 100000 Menschenleben kostete. Geschrieben hat es kein Schriftsteller in seinem Elfenbeinturm sondern jemand, der die unmenschlichen Zeiten mittendrin erlebte. Yasmina Khadra ist nur ein Pseudonym, dahinter verbirgt sich der ehemalige Major Mohammed Moulessehol, der sich mit der Verwendung des Vornamens seiner Frau der Zensur entziehen konnte.

Als lawinenhaft wachsenden Alptraum zeichnet der Autor den Weg eines sympathischen 19-Jährigen vom Schauspieleranwärter aus ärmlichen Verhältnissen bis hin zum blutrünstigen Anführer einer Islamistentruppe. Anfangs glaubt dieser Nafa Walid an eine glückliche Fügung, als er den Job eines Chauffeurs bei den Rajas ergattert. Wie in einem goldenen Käfig lebt er bei dieser durch Korruption reich gewordenen Oberschichtfamilie.

Nafas Faszination schlägt endgültig in Ekel und Abscheu um, als in Junior Rajas Bett eine minderjährige Drogenhure stirbt und er mithelfen muss, die Leiche nicht nur zu beseitigen sondern sie auch völlig unkenntlich zu machen. Zur Polizei aber kann er sich nicht wagen, denn: "Bei uns gilt das Gesetz nur für die kleinen Fische." Deprimiert findet er in einer Moschee Erleichterung und der Imam öffnet ihm die Augen: "Du bist unglücklich, weil dein Land dich empört." Ihn wie so viele Anfang der 90er Jahre, als die Islamisten immer mehr Oberwasser bekommen und ein offener Kampf gegen die Staatsmacht ausbricht, die der Hoffnungslosigkeit der jungen Generation tatenlos gegenüberstand.

Mit packenden Szenen führt der Autor den jungen Mann immer tiefer in die Reihen der Fanatiker und allmählich, von Stufe zu Stufe, gerät Nafa selbst jenseits der Grenzen von Moral und Menschlichkeit. Dabei hatte er anfangs noch idealistisch verkündet, nicht der Krieg sondern die Menschenwürde werde nun ausgerufen. Nun aber gehört er zu jenen Terrortruppen der GIA, für die das "Kehleaufschlitzen im Dienste der Wahrheit" geradezu zum Wahn wird.

Das Geschehen wird mit teils heftiger Wortgewalt, mal ungeschliffen und von rauer Poesie durchzogen, mal ungestüm und aufwühlend erzählt. Dieser offenbar repräsentative Roman ist ein illusionsloser Blick in eine menschengemachte Hölle – harter Tobak, aber ungeheuer wichtig zum besseren Verstehen.

 

 

# Yasmina Khadra: Wovon die Wölfe träumen (aus dem Französischen von Regina Keil-Sagawe); 331 Seiten; Aufbau-Verlag, Berlin; € 20

WOLFGANG A: NIEMANN (wan/JULIUS)

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