NORBERT KLUGMANN: "TANZ DER
SCHIENENFRESSER" Doch, es gibt sie auch bei uns, die spannungsgeladene
Komödie, sprühend vor bissigem Humor, herzerfrischenden satirischen Einlagen und immer
erneuten überraschenden Wendungen. "Tanz der Schienenfresser" von Norbert
Klugmann ist einer dieser viel zu seltenen Geniestreiche voller Witz und Action. Im
Mittelpunkt steht Lokführer Willi Gatz und wie die Fahrt einer Lokomotive entwickelt sich
auch der Roman mit langsamem Start, um bald schon so rasant und unaufhaltsam zu werden,
dass man dem furiosen Finale entgegenfiebert. Gatz ist 52, seine Welt ist die Eisenbahn, das
Bewusstsein, eine Lok von 80 Tonnen zu beherrschen und einen Zug von mehr als 50 Waggons
auf über 100 km/h zu beschleunigen. Vor Monaten war ihm jedoch ein Selbstmörder vor den
Zug gesprungen. Und bei einer Routineuntersuchung bescheinigt man ihm erhöhten Blutdruck
und Herzschwäche. Er hatte sich nie wichtiger genommen als er war und manche
Ungerechtigkeit eingesteckt. "Aber dann hatten sie übertrieben, seine Würde
angetastet, ihn krank und überfordert genannt. Nun musste er tun, was getan werden
musste." Ihn loszuwerden, das soll ihnen nicht gelingen, denn
Bewegungslosigkeit hätte ihn zerrissen. Fast spontan kommt dem sturen Nordfriesen die
kühne Idee: er klaut eine ausrangierte alte Diesellok, eine stolze rote V 200. Um
"denen da oben" zu beweisen, wie fit er noch ist, meldet er seine wilde Jagd an:
von Westerland will er 1.000 Kilometer quer durchs Land bis nach Oberstdorf fahren. Per
Zugfunk wollen ihn die Vorgesetzten davon abbringen, aber Willi Gatz ist nicht zu stoppen.
Zu gut kennt er den Betrieb und als sich Burger vom Verkehrsministerium einschaltet, muss
der verwirrende Erfahrungen mit der großen Macht der Stellwerker und den sonstigen
Rädchen im Bahngetriebe machen - sie konnten mitarbeiten oder Dienst nach Vorschrift
schieben... Es bleibt jedoch nicht bei diesem Katz- und Mausspiel
einiger weniger Mitwisser, denn allmählich bilden sich Lager und die Zahl der Helfer
wächst. Allen voran die ebenso ehrgeizige wie attraktive Journalistin Jolanda, die dem
sturen Willi bald hautnah auf den Führerstand rückt. Auf geradezu geniale Weise wird
dabei die Bahnerwelt samt ihrer Beamtenmacken aufgespießt. Der unbändige Lesespaß lebt zudem von den hervorragend gezeichneten Charakteren und von Dialogen, die mit Direktheit, Trockenheit und diversen Widerhaken nicht nur überzeugen sondern oft genug auch das Zwerchfell erschüttern. "Tanz der Schienenfresser" ist eine herrlich echt wirkende Realsatire auf die Bahn und im Übrigen ein absolutes Muss zur Verfilmung. |
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# Norbert Klugmann: Tanz der Schienenfresser; 286
Seiten; Europa Verlag, Hamburg; 24,49 DM (öS 179.-/sFr 22.70/ 12,52) WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) |
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Kennziffer: Bel 104 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de |