DIETER KÜHN: "FRAU MERIAN!"

"Im Januar 1701 begab ich mich in den Urwald Surinams..." schrieb Maria Sibylla Merian (1647-1717) in ihr großes Reisebuch und man muss sich einmal vergegenwärtigen, was solche eine Expedition in jenen Zeiten bedeutete, zumal die berühmte Naturkundlerin und Malerin bereits im damaligen Greisenalter von über 50 stand. Die selbstbewusste Dame gehört bis in die Gegenwart zu den ungewöhnlichsten und bedeutendsten Frauengestalten deutscher Herkunft.

"Frau Merian! Eine Lebensgeschichte" zeichnet ein ebenso detailgenaues wie spannendes Bild, wie es niemand besser könnte als der renommierte Dieter Kühn. Er bedient sich raffinierter 'Lebensbilder', um den Leser mit Fakten, bislang unbeachteten Quellen und mit eigenen schlüssigen Folgerungen in jene Zeit nach dem 30-jährigen Krieg zu versetzen. Hervorragendes Zeit- und Lokalkolorit lassen Lebensstationen wie Frankfurt, Nürnberg und Amsterdam höchst lebendig werden.

Und dann die abenteuerliche Schiffsreise ins ferne exotische Surinam als biografische Selbstkrönung eines an sich unzeitgemäßen Frauenlebens. Zu einer Zeit, als Frauen in der Wissenschaft undenkbar, ja unzumutbar waren, widmete sie sich ihrem Hauptthema, der Metamorphose der Insekten, und es entstand ihr noch heute berühmtes Buch über Fauna und Flora. Das Talent zum Zeichnen, Malen und Kupferstechen vom früh verstorbenen Vater geerbt und vom Stiefvater ausgebildet, erzielte sie später Preise für die kolorierten Bücher wie Zeitgenosse Rembrandt für manche seiner Gemälde.

Dieter Kühn schreibt bewusst persönlich und schafft eine besondere Nähe, indem er zuweilen als Ich-Erzähler auftritt. Damit erweckt er diese einzigartige Frauengestalt meisterhaft zu neuem Leben und entfaltet zugleich höchst plastisch das faszinierende Panorama einer ganzen Epoche voller Unruhe und Aufbruchstimmung.

 

# Dieter Kühn: Frau Merian! Eine Lebensgeschichte; 647 Seiten, div. Abb.; S. Fischer Verlag, Frankfurt; € 24,90 WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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