AMIN MAALOUF: "DIE REISEN DES HERRN
BALDASSARE" Einen
ebenso spannenden wie ungewöhnlichen Historienroman hat Amin Maalouf mit "Die Reisen
des Herrn Baldassare" geschaffen. Er führt zurück in jene Zeit der Verwirrung, als
ein großer Teil der Menschheit mitten im vermeintlichen Zeitalter der Vernunft die
Apokalypse erwartete. Gemäß der Offenbarung des Johannes werde sie 1666 im 'Jahr des
Tieres' Untergang oder Erlösung für die Menschen bringen. Baldassare
Embriaco, genuesischer Kuriositätenhändler, schildert den Vorabend des mit zunehmender
Unruhe erwarteten Jahres in seinem ersten Tagebuch. Seltsames ist ihm geschehen, denn man
bot ihm ein Buch an und er kaufte dieses Werk, das angeblich das Geheimnis des 100. Namens
Allahs lüftet und Rettung bedeuten könnte. Der Kaufmann gibt das Buch jedoch zunächst
recht gedankenlos weiter, um ihm alsbald hinterdrein zu jagen, als er dessen rettende
Eigenschaften erahnt. Wobei stets der Zweifel an der Echtheit des Buches bleibt. Damit
beginnt eine aufregende, exotische Reise, auf der er über Seenot und Liebeskummer, von
Meuchelmord bis zum Volksaufstand die abenteuerlichsten Ereignisse oft nur um Haaresbreite
übersteht. Die Suche treibt ihn durch den gesamten Mittelmeerraum und bis nach London und
zurück. Wobei er in der englischen Hauptstadt in jenem furchtbaren September 1666 nur mit
größter Mühe der großen Feuersbrunst und dem Lynchmob entkommt. "Es ist nicht
gut, ein Fremder zu sein, wenn eine Stadt in Flammen steht", schreibt er in das
dritte Tagebuch. Fesselnd
und von überraschender Aktualität aber sind auch die Begegnungen des skeptischen
orientalischen Katholiken mit den Vertretern von Judentum, Islam und vielerlei Heils- und
Untergangslehren in diesem Jahr, in dem viele gewachsene Glaubensgewissheiten zerbrechen.
Die Toleranz zwischen den Völkern und den Glaubenslehren wird von Angst und Misstrauen,
von Aberglauben und Unvernunft zerrieben. Viele Menschen geraten in Raserei und sehnen den
Untergang geradezu herbei und manches erinnert in fataler Weise an allergegenwärtigste
Ereignisse. "Die
Reisen des Herrn Baldassare" ist das faszinierende Werk eines orientalischen
Geschichtenerzählers mit einigem philosophischem Tiefgang und die wunderbare Sprache
(Danke für eine grandiose Übersetzung!) macht es zudem zu einem Lesegenuss auf hohem
Niveau. |
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# Amin Maalouf: Die Reisen des Herrn Baldassare
(aus dem Französischen von Ina Kronberger); 489 Seiten; Insel Verlag, Frankfurt;
25.50
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) |
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Kennziffer: Bel 124 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de |