CATHERINE MILLET:"DAS SEXUELLE LEBEN DER CATHERINE M."

Es hat Zweifel gegeben, ob das in Frankreich sowohl zum Kult- wie zum Skandalbuch gewordene "Das sexuelle Leben der Catherine M." wirklich eine autobiografische Selbstdarstellung von Catherine Millet ist. Oder sollte es doch eher ein raffiniert auf den größtmöglichen Marketingerfolg getrimmtes Werk erotischer oder pornografischer Literatur sein?

Wohl kaum, denn man vermisst jeden Hauch von pikanter Erotik und es erfüllt nicht einmal genügend Voraussetzungen, um wenigstens Pornografie zu sein. Die würde zumindest auf niedriger Ebene zweckorientiert erregen und Lust erzeugen. Nach Lust aber sucht man in den Ausführungen der Autorin vergebens, dafür ist die endlose Aneinanderreihung verschiedener, jedoch durchaus nicht sonderlich abwechslungs- oder fantasiereicher sexueller Akte einfach zu öde.

'Fair l'amour' ist ein charmanter französischer Ausdruck für das Liebesspiel, Catherine Millet aber, als Chefredakteurin der Kulturzeitschrift "artpress" durchaus ein angesehenes Mitglied des gehobenen Bildungsbürgertums und des kultivierten Schreibens mächtig, muss man nach ihren eigenen Eingeständnissen wohl eher eine Art Kopulationssucht bescheinigen. Da wird es mit fortschreitendem Lesen schlicht langweilig, von der soundsovielten gleichmütig vollzogenen "Benutzung der Körper" zu erfahren. Sie selbst nennt ihre freimütigen Schilderungen fortgesetzter Rammeleien, die zuweilen mit ganzen Rudeln auf Sexorgien oder sogar wie bei Nutten in Billigabsteigen mit schlangestehenden Männern geschehen, schonungslos. Die Hemmungslosigkeit als Grundmuster ihrer im Übrigen allenfalls durchschnittlich attraktiven Weiblichkeit wirkt jedoch eher wie ein krampfhafter Exhibitionismus.

Doch ist es nicht nur die verblüffend teilnahmslose Sachlichkeit des Berichtens - selbst dröge Briefmarkensammler erzählen wahrlich mit mehr Zuneigung und Enthusiasmus von ähnlich intensiv betriebenen Hobbies! - die sogar bei weniger anspruchsvollen Voyeuren nicht viel Appetit erzeugen wird. Hinzu kommt die weitgehende Wahllosigkeit oder auch Anonymität bei der Auswahl der Sex-Partner, die auch vor Kopulationen mit geistig Behinderten oder regelrechten Schmutzbolzen nicht halt macht und zuweilen ins Unappetitliche abgleitet, um es höflich auszudrücken. Wozu allerdings die recht rüde Sprache passt, auch wenn man von der 53-jährigen Kultur-Journalistin einen eleganteren Stil erwartet hätte.

Was dieses Buch nun zum Bestseller 2001 in Frankreich gemacht hat? Am ehesten das Skandalöse um Inhalt und Schrankenlosigkeit. Und vielleicht erklärt die Detailverliebtheit, warum nach Feststellung des Buchhandels besonders Frauen reiferen Alters zu den Käufern gehören. Warum jedoch selbst ranghohe Literaturkritiker das erstaunlich reizlose Werk der selbsternannten "Vagina auf zwei Beinen" zu einem 'Klassiker der Erotik' hochloben wollen, ist nicht nachvollziehbar. Wirklich Erotisches fehlt in diesem Buch und eigentlich passiert auch kaum etwas, obwohl auf fast jeder Seite die Grenzen des bürgerlich Normalen überschritten werden.

# Catherine Millet: Das sexuelle Leben der Catherine M. (aus dem Französischen von Gaby Wurster); 285 Seiten; Goldmann Verlag, München; 42,00 DM

(öS 307.-/sFr 37,80/€ 21,47)  WOLFGANG A. NIEMANN  (wan/JULIUS)

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