EDWARD RADSINSKI: "DIE GEHEIMAKTE RASPUTIN"

War er ein Wunderheiler, ein Heiliger gar oder eher der Antichrist? Nur wenige Gestalten der jüngeren Geschichte haben Fantasie und Gemüter so bewegt wie der geheimnisvolle Mönch Rasputin. Sein ebenso segensreiches wie unheilvolles Wirken am Zarenhof bis zu seiner Ermordung am 17. Dezember 1916 war Anlass zu wildesten Spekulationen.

Nun liegt "Die Geheimakte Rasputin" vor, erforscht und in Form einer detaillierten Reportage verfasst und der Autor Edward Radsinski löst darin die meisten der Rätsel. Dem russischen Dramatiker und Fernsehproduzenten, der sich bereits mit seinem Buch über den letzten Zaren Nikolaus II als hervorragender Kenner jener Zeit zeigte, kam dabei ein großer Glücksfund zuhilfe: 1995 wurde bei Sotheby's ein Dossier versteigert, das sich als die lange verschollene Ermittlungsakte von 1917 erwies. Die so genannte Außerordentliche Kommission, Ermittlungsabteilung Nr. 13, der provisorischen Regierung zwischen dem Sturz der Monarchie im Februar und der Machtergreifung der Bolschewiken in der Oktoberrevolution hinterließ ein Protokoll von 426 Blättern, beidseitig beschrieben.

Und Radsinski fand eine Fülle von großenteils unbekannten Aussagen hunderter von Zeugen zur Person des sibirischen Mönchs, zu seinen vermeintlichen Schandtaten, zu seinem Einfluss bei Hofe und in der Gesellschaft und schließlich zu den tatsächlichen Vorgängen, die zu seinem Ende führten. Detektivisch sezierte der Geschichtsforscher die teils widersprüchlichen Aussagen, die nun verständlicher machen, wie der ungehobelte Bauer von der ersten Begegnung im Jahre 1905 an einen geradezu magischen Einfluss auf das Zarenpaar gewinnen konnte. Zum Einstieg verhalf ihm dabei die Hoffnung, seine "Heilenden Hände" könnten den Thronerben Alexej von seiner Bluterkrankheit heilen.

Vor allem die Zarin verfiel seinem düsteren Zauber und Briefe an ihn lassen sogar die Vermutung zu, dass das Verhältnis der Beiden zueinander mehr als innig gewesen sein könnte. Zugleich führte er ein wüstes Leben voller Ausschweifungen, wenngleich die Protokolle manche der ihm angedichteten Untaten ins Reich der Fabel verweisen. Im Volk jedoch mehrte sich der Eindruck, er sei der böse Geist am Zarenhof. Seine zunehmende Einwirkung auch auf die Politik des Zaren jedoch war es, die dann Mordpläne entstehen ließ.

Der Erste Weltkrieg verlief verlustreich für Russland, die deutschgebürtige Zarin Alexandra war manchen sogar spionageverdächtig und hohe Kreise fürchteten, die Ein= flüsterungen des mystischen Unholdes könnten den Umsturz der Monarchie verursachen. Der ausgeheckte Mordplan geriet dann recht stümperisch und die Aussagen der Mörder werden erst durch die nun offenliegenden Indizien und Fakten sowie entsprechende logische Schlüsse in ein rechte Licht gerückt.

Dank der Geheimakte konnte Edward Radsinski ein Puzzle zusammensetzen, das der Realität sehr nahe kommen dürfte, denn befragt wurden damals sowohl Feinde wie auch Freunde und Verehrer Rasputins. Nicht zu vergessen die vielen Polizeispitzel mit ihren endlosen Dossiers über jeden Schritt der verdächtigen Personen. Doch mag die spannende Recherche auch fast alle Rätsel um Rasputin gelöst haben – der Mythos des legendären Mönchs wird bestehen bleiben.

 

# Edward Radsinski: Die Geheimakte Rasputin (aus dem Russischen von Annelore Nitschke); 544 Seiten; div. Abb.; Albrecht Knaus Verlag, München; 57,99 DM

(öS 423.-/sFr 52.50/€ 29,65) WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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