WIELAND SCHMIED (Hrsg.): "DER KÜHLE
BLICK" "Der kühle Blick Realismus der
Zwanzigerjahre in Europa und Amerika" heißt die große Ausstellung mit Malerei jener
Dekade nach dem ersten Weltkrieg bis in die frühen dreißiger Jahre, mit der die neue
Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung in München am 1. Juni eröffnet wurde (bis 2.
September). Dazu liegt nun auch der opulente Katalog als Buch vor, für das
Kunsthallenkurator Professor Dr. Wieland Schmied als Herausgeber verantwortlich zeichnet. Im Gegensatz zu seinem Katalogbuch zur legendären
Berliner Ausstellung "Tenzen der Zwanzigerjahre" von 1977 bezieht dieses Werk
wie die jetzige Ausstellung die Entwicklung in Amerika mit ein. Es zeigt, dass der
Realismus jener Ära ein weltumspannendes Phänomen war. Alle Strömungen sind erfasst,
auch wenn Neoklassizismus, Novecento, Neue Sachlichkeit, Magischer Realismus und
Präzisionismus teils weit auseinander divergieren. Über 70 Künstler von Ivan Albright über Max
Beckmann und Franz Radziwill bis Arnold Wiltz sind mit rund 180 Exponaten in München
vertreten. Ihre Arbeiten lassen erkennen, dass selten eine Kunstepoche so von der
Zeitgeschichte geprägt wurde wie diese mit all der Desillusionierung und Skepsis nach dem
Weltkrieg. Die Künstler auf der Suche nach Orientierung in einer aus den Fugen geratenen
Welt, sie suchten eine neue Sachlichkeit, eine Ding-Entdeckung nach der Ich-Krise. Zu den Vorreitern gehörte Giorgio de Chirico und
typisch für seinen Ansatz sein Zitat: "Nüchternen Sinnes entwickeln wie in der
Malerei eine neue metaphysische Psychologie der Dinge." Es war dieser "kühle
Blick", die Distanziertheit, in der selbst der Mensch häufig zum Objekt wird, der
bei aller Vielfalt der Themenkreise für die Klarheit und Bildschärfe der Werke sorgte. Ausstellung und Katalog eröffnen faszinierende
Sehweisen und Erkenntnisse und das Buch weist mit kenntnisreichen Artikeln einzelne
Strömungen und entscheidende Entwicklungen innerhalb der Epoche auf wie zum Beispiel den
Wettstreit zwischen Picasso und de Chirico oder die speziell im Deutschland der Weimarer
Zeit herausragende Neue Sachlichkeit. Herausgeber Schmied widmet sich ausführlich dem
amerikanischen Beitrag und auch die informativen Texte zu den einzelnen Künstlern und
ihren Bildern machen das Kompendium zu einem Erlebnis für Kunstfreunde wie Experten. Zum
hohen Genuss trägt im Übrigen die gewohnt exzellente Prestel-Qualität der Farbtafeln
bei. Kurzum: ein ebenso großartiges Kunstbuch wie unverzichtbares Nachschlagewerk. |
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# Wieland Schmied (Hrsg.): Der kühle Blick
Realismus der Zwanzigerjahre in Europa und Amerika; 336 Seiten, 260 Abb (175 in Farbe);
Prestel Verlag, München; 98,01 DM (öS 715.-/sFr 87,00/ 50,11) WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) |
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Kennziffer: So 102 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de |