MIKIS THEODORAKIS: "BIS ER WIEDER TANZT"
Mikis Theodorakis ist nicht nur einer der populärsten
zeitgenössichen Komponisten, er ist auch der wohl berühmteste Grieche unserer Zeit. Und
seit "Die Wege des Erzengels" (1995) kennt man ihn außerdem als wortgewaltigen
Schriftsteller. Endete dieser autobiografische Roman 1949, so folgt nun die Fortsetzung
mit "Bis er wieder tanzt", in der er seine erste Begegnung mit Kreta beschreibt,
der Insel seiner Vorfahren. Erfasst ist die Zeit von Mai 1949, als er nach
Verbannung und Folter in den Wirren des Bürgerkrieges hier in den Schoß der großen
Sippe aufgenommen wird, bis zum 1. Januar 1952, als er nach Athen zurückkehrt, um sein
Musikstudium zu vollenden. Hier auf Kreta fühlt er sich alsbald als
"Eingeweihter" und sehr intensiv in die Familienbande aufgenommen, obwohl er
nach eigenem Eingeständnis ein unbelehrbarer Kommunist war. "Bis er wieder tanzt", das ist
vordergründig die Geschichte, wie sein 100-jähriger Urgroßvater Therianos sein durch
die Folterungen verkrüppeltes Bein heilt und der junge Mann erst nach zehn Tagen aus der
Ohnmacht erwacht. Zugleich ist es die Schilderung jener Endzeit des überaus grausamen
Bürgerkrieges mit Hinrichtungen und Kommunistenhatz. Dennoch ist dieses aufwühlende Werk
nur teilweise eine faktische Biografie des Komponisten sondern vielmehr eine mythologische
Traumreise und eine Hommage an diese ungewöhnliche Insel und den unbändigen Geist ihrer
Menschen, bei der es müßig wäre, Dichtung und Wahrheit auseinander halten zu wollen. Theodorakis taucht ein in die Geschichte der Familie,
der Vorfahren, die zugleich die Geschichte Kretas umfasst, all die Freiheitskämpfe,
Fehden und die barbarische Blutrache, diese "Gerechtigkeit der Kreter". Wenn man
von all diesen stolzen, wundersamen, eigenwilligen und teils auch grausamen Menschen
liest, dann ahnt man, wie echt die Figur des Zorba ist, dieser Inbegriff des Kreters, für
den Theodorakis seine berühmte Filmmusik schrieb. Wie ohnehin sein Kontakt mit den Mythen
der Insel und mit ihrer Musik von nun an sein musikalisches Schaffen prägen sollte. Was und vor allem aber wie Mikis Theodorakis über
diese "Lehrjahre" schreibt, das schafft Bilder von großer Imagination, gewaltig
wie seine Musik und von gleicher Emotionalität. Mit ungewöhnlicher Bildhaftigkeit
erzählt er all die wahren und die eher mythischen Geschichten, die so archaisch und
poetisch, so grausam, schön und zuweilen erotisch sind wie Kreta selbst. "Bis er
wieder tanzt" ist ein grandioses Werk, denn der große Komponist Theodorakis ist auch
ein begnadeter Erzähler und Fabulierer. Und ein echter Sohn aus dem Reich der homerischen
Sagen. |
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# Mikis Theodorakis: Bis er wieder tanzt -
Erinnerungen (aus dem Griechischen von Asteris und Ina Kutulas); 245 Seiten; Insel Verlag,
Frankfurt; 38,00 DM (öS 277/sFr 35.30/ 19,80) WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) |
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