FRANCIS WHEEN: "KARL MARX"

Über Marx lesen und Spaß dabei haben, obwohl es sich nicht um die Marx-Brothers sondern um den Erfinder des "Kommunistischen Manifestes" handelt, den "Prometheus von Trier"? Ja, denn diese Biografie über "Karl Marx" ist weder von einem Wissenschaftler noch von einem politischen Freund oder Feind sondern von dem gänzlich unehrfürchtigen Journalisten Francis Wheen geschrieben.

Es ist nur konsequent, dass es ausgerechnet ein Engländer ist, der sich da zuvörderst dem Menschen Marx (1818-1883) widmet, denn der revolutionäre Geist verbrachte über die Hälfte seines Lebens in London. Ein Mann der Weltgeschichte, dessen Person bisher trotz Unmengen an Literatur über sein Werk und dessen Wirkung erstaunlich blass beleuchtet geblieben ist. Niemand hat je ein Jahrhundert so geprägt wie er das 20., er spaltete die Menschheit in fanatische Anhänger seiner Lehren und solche, die sie bis aufs Blut bekämpften oder ihren Erfinder gar blindwütig als Satansjünger verteufelten.

Um so interessanter ist dieses Porträt des "Mohren", wie er wegen seines dunklen Teints und der rabenschwarzen, wild wuchernden Haare in seinen Kreisen genannt wurde. In Trier als Jude geboren, dessen wohlhabende Familie aus wirtschaftlichen Gründen evangelisch wird und der selbst mit deutlichem Stolz auf die adlige Herkunft seiner Frau Jenny von Westphalen verwies. Mit der er etliche Kinder hatte, während er nebenher auch noch das Dienstmädchen schwängerte.

Schon frühe Zeugnisse zeigen die außergewöhnliche Mischung von Eigenschaften des Revoluzzers aus Berufung: hemmungslos wissensdurstig und streitbar, hochintelligent, nachtragend und von bissigem Humor. Doch er war auch eitel und litt von Jugend an unter einer anfälligen Konstitution. Was ihn trotz vieler Krankheiten aber nicht von reichlich Alkohol- und Tabakgenuss abhielt. Beides brauchte er, wenn er mal wieder berserkerhaft nächtelang an seinen vielen Schriften arbeitete.

Und es ist auffällig, wie tyrannisch, intolerant und rücksichtslos er gegen jedermann war – offenbar Eigenschaften, die zu Kommunistenführern gehören, wenn man an Lenin und Stalin denkt. So despotisch und charismatisch er jedoch auf seine Mitmenschen wirkte, der Mann, dem selbst Gegner ein großes Wissen um den Kapitalismus bescheinigen, konnte herzlich schlecht mit Geld umgehen. So lebte er mit der Familie meist in bedrängten Verhältnissen, war ein ewiger Schnorrer und die wenigen Phasen relativen Wohlstandes verdankte er Erbschaften. Wenn aber mal Geld da war, neigte der große Propagandist des Kommunismus zum Luxus und verzockte sogar ein kleines Vermögen an der Börse.

Da entbehrt es auch nicht einer gewissen Ironie, dass Herr Dr. Marx zwar forderte "Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!", dass es zu jener Zeit aber noch gar kein nennenswertes Proletariat gab und er selbst zeitlebens nur sehr wenigen Arbeitern persönlich begegnete.

Die Biografie glänzt mit vielen kleiner und großer Details direkt aus dem Leben des Arbeitswütigen, ohne nennenswert ins Weltanschauliche oder Philosophische abzuschweifen. Dies und die Sachlichkeit gegenüber der heiklen Persönlichkeit machen die Lektüre für ein breites Publikum zu einem aufschlussreichen Vergnügen.

 

# Francis Wheen: Karl Marx (aus dem Englischen von Helmut Ettinger); 511 Seiten; C. Bertelsmann Verlag, München; 25,00 €/48,00 DM

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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