JÜRGEN KAIZIK: „ICH UND DER ANDERE“


Am 3. Juli 1971 soll Jim Morrison in Paris in einer Badewanne ertrunken sein. Nicht jeder glaubt diese Version, zumal damals außer seiner Freundin und dem behandelnden Arzt niemand die Leiche des 27-Jährigen zu Gesicht bekommen hat.
Pünktlich zum 50. Todestag hat der österreichische Schriftsteller und Theaterregisseur Jürgen Kaizik dazu einen Roman vorgelegt, der diese Spekulationen wunderbar umsetzt. „Ich und der Andere“ lautet der Titel, wobei Ich in weiten Passagen Jim Morrison persönlich ist, der hier erzählt. Und man darf auf jeden Fall ein hohes Maß an biografischer Genauigkeit erwarten.
Eingangs haben sich „The Doors“ zwar bereits diesen Namen gegeben, tingeln aber in diesem Frühjahr 1966 noch durch die Clubs von Los Angeles. Wo Jim im mäßig besuchten „London Fog“-Club ein verwirrendes Erlebnis hat. Das Quartett müht sich nach Kräften, das Publikum aufzumischen, doch mittendrin sitzt dieser Kerl, trotz krauser Matte der Typ Lehrer, und schreibt in ein Heft.
Von der heißen Rock-Musik mit psychedelischem Einschlag scheint er ziemlich ungerührt. Wegen seines Erscheinungsbildes und weil Jim in dem Heft wirre Gedichtuzeilen entdeckt, erscheint der Seltsame ihm wie ein Wiedergänger des deutschen Dichters Hölderlin (1770-1843). Der bekanntermaßen ein ganz Großer seiner Zunft war, aber auch ein Fall für die Psychiatrie bis hin zu langen Phasen stationärer Aufenthalte.
Doch auch in Jims Gedankenwelt und Gefühlsleben brodelt es genialisch und in voller narzisstischer Inbrunst deklamiert er sein Credo: „Um die Götter zu verstehen, muss ich selbst ein Gott werden!“ Während die Wege des aufstrebenden Kultsängers und des unbeholfenen unbekannten Deutschen sich vorerst trennen, ölässt Jim immer neue, mal poetisch funkelnde, man brachiale Songstexte entstehen. Man erlebt mit, wie das krasse ödipale „The End“ entsteht und wie es dem Publikum schier den Atem verschlägt, als der Admiralssohn seinen Hass auf den gestrengen Vater in galligen Worten hinausschreit. Und es kommt zum Plattenvertrag und mit „Light the Fire“ verdrängen sie 1967 sogar die Beatles vom Spitzenplatz. Währenddessen wechselt das Geschehen zu dem Fremden, der auf kuriose Weise einer wohlhabenden Lady begegnet, die sich in ihn verliebt.
Sie führt ihn dann auch in jenes legendäre Konzert vor 20.000 Fans, das mittendrin von brutalen Polizeikräften aufgemischt wird. Hölderlin sorgt für ein unvergessliches Highlight für Jim – und ist von da an verschwunden. „The Doors“ aber eilen von Erfolg zu Erfolg und in dieser hitzigen Zeit weg vom Hippie-Traum hin zu den 68-Protesten - während noch immer der Vietnam-Krieg wütet und dort nicht nur Einheimische zuhauf sterben - entstehen geniale Song wie „People are strange“ oder „Riders in the Storm“.
Und der ohnehin drogensüchtige Jim hetzt durch ein wahres künstlerisches Delirium und bald zerrüttet ihn dieser ekstatische Fiebertraum. Was zu der bekannten Auszeit und Flucht nach Paris führt. Der Tod im Rausch aber – hat es ihn wirklich gegeben? Oder enttarnt Jürgen Kaizik hier endlich die wahre Geschichte mit einem Jim Morrison, der seinen Seelenfrieden in einem speziellen Refugium gefunden hat? Mit einem einzige verbliebenen Partner, eben „Hölderlin“?
Das ist herrlich zu lesen mit seiner exaltierten Versponnenheit auf hohem literarischen Niveau. Zum wirklichen Lesegenuss dieses Romans wäre allerdings wichtig, ein wenig über Jim Morrison und die Doors Bescheid zu wissen und – noch besser – ihre Musik zu mögen.

# Jürgen Kaizik: Ich und der Andere; 255 Seiten; Braumüller Verlag, Wien; € 22

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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