JAMES McBRIDE: DER HEILIGE
KING KONG
James McBride zählt zu den wichtigsten schwarzen US-Autoren unserer Zeit. Mit seinem
jüngsten Roman unter dem Titel Der heilige King Kong geht er allerdings in
Jahr 1969 zurück und öffnet dabei eine wahre Wundertüte an Figuren, Ereignissen und
Anekdoten.
Vorweg sei klargestellt, dass es sich bei diesem King Kong nicht um eine Person handelt
sondern um den Spitznamen für einen hier viel konsumierten Fusel. Den im Übrigen Hot
Sausage, der Hausmeister eines Wohnblocks des Causeway Housing Projects illegal im
Heizungskeller brennt. Und der Schauplatz hat es in sich, denn McBride führt damit ins
südlichste Brooklyn.
In jener Zeit war ganz New York City auf dem Tiefpunkt seiner Geschichte angelangt und
Cause gehört zu den übleren Zonen mit Beschaffungskriminalität,
Immobilienschiebereien, korrupter Polizei, Schießereien und das bei sich verhärtenden
Klassengegensätzen. Hinzu kommt der Rassismus in diesem kaum verträglichen Gemisch aus
Schwarzen, Latinos sowie den weißen Einwandererkolonien aus Iren und Italienern.
Da erscheint das kleine Viertel um die unbedeutende Five Ends Baptist Church schon fast
wie ein Hort von halbwegs friedlichem Miteinander. Doch ausgerechnet hier passiert an
einem Septembernachmittag Unfassbares: Diakon Cuffy Lampkin, 71 und als einer der
friedlichsten Menschen auf dem Erdball bekannt, streckt auf offener Straße den
Drogendealer Deems Clemens nieder. Dass der 19-Jährige dabei nur das Bewusstsein und ein
Ohr verliert, passt dann wieder zu Cuffy, der wegen seiner Vorliebe für ausgeleierte
Sportklamotten nur Sportcoat genannt wird, gilt er doch als ausgemachter
Pechvogel, dem von jeher immer alles mögliche missglückte.
Er kann zu der Tat später nichts Brauchbares aussagen, was maßgeblich an seinem
mächtigen Konsum von King Kong liegen dürfte. Und es sei schon mal vorweg gesagt, dass
der Fall nie so ganz aufgeklärt wird. Allerdings wird so etwas natürlich verfolgt und
das nicht nur von der rabiaten Polizei. Eine gewichtige Rolle spielt nämlich rundherum
die Mafia, an der Spitze der missmutige Tommy Elefante, mit 45 noch immer ledig (und
heimlich unglücklich darüber).
Doch das sind ja nur einige der durchweg sehr intensiv umrissenen Charaktere, die hier mal
mehr, mal weniger wichtige schräge Elemente ins Geschehen einbringen. Da seien nur der
kauzige Hausmeister oder der ausnahmsweise ehrliche irischstämmige Polizist
Potts genannt, der sich ausgerechnet in eine fromme Gemeindeschwester verguckt hat.
Das Alles sorgt nicht nru für einen endlosen Strom von Episoden und Skizzen von Figuren,
die teils nur Randnotizen bleiben und doch das Gesamtbild prägen. Es gibt viele Monologe
und Dialoge mit kongenial übersetzten Slangeinschüben. Und dann diese Fülle
himmelschreiend komischer Szenen, wenn zum Beispiel ein auf Sportcoat angesetzter
Mafia-Killer durch dessen Dusseligkeit filmreif außer Gefecht gesetzt wird.
Manches gerät ins Bizarre oder Groteske, doch bei allem Elend des Alltags, der hier
geschildert wird, versinkt der Roman dennoch nicht in Düsternis und Hoffnungslosigkeit.
Ein Krimi im eigentlichen Sinne ist Der heilige King Kong nicht, aber ein
fesselndes Gesellschaftsbild, das vieles von dem erhellt, was auch heute noch im Argen
liegt und eben nicht nur in New York City.
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