MALACHY TALLACK: „DAS TAL IN DER MITTE DER WELT“


Als Alice mit 40 Jahren Witwe wurde, zog die Schriftstellerin auf die Shetland-Inseln, wo sie einst in ihren Flitterwochen glücklich gewesen war. Nach fünf erfolgreichen Krimis hat sie jedoch jede Lust an fiktiven Geschichten verloren. Mit jetzt 45 aber ist ein ganz anderes Manuskript im Entstehen: die Geschichte dieses Tals, in dem sie mit ganz wenigen Nachbarn lebt. Über seine Menschen. Über seine Natur.
Der Titel für dieses ganz reale Buch soll „Das Tal in der Mitte der Welt“ heißen und so lautet auch der Titel von Malachy Tallacks erstem Roman. Selbst auf den gut 160 Kilometer nördlich vom britischen Festland liegenden Inseln aufgewachsen, hatte er sich bisher als Reiseschriftsteller, Singer-Songwriter und Journalist bereits einen Namen gemacht.
Nun also eine erfundene Geschichte, die sich um die wenigen Bewohner, die raue Natur, das von Regen und Wind bestimmte Wetter dreht. Eingangs wird Sandy vorgestellt, der gerade von seiner Partnerin Emma verlassen worden ist. Obwohl sie wie er hier aufwuchs, war es nicht nur das Versiegen der Liebe sondern auch die Kargheit dieses Lebens, dem sie entfliehen wollte.
Sandy kennt das Verlassenwerden, wurde er doch als Kind von seiner Mutter allein auf der Insel zurückgelassen. Um so wichtiger sind ihm Emmas Eltern David und Mary als eine Art Ersatzfamilie. Ganz nahebei steht ihr Haus und die Nebenerwerbslandwirtschaft mit der Schafzucht. Und Sandy lässt sich gern in den Umgang mit den Schafen einweisen. Andererseits teilt er diese stille Traurigkeit mit den Beinahe-Schwiegereltern, die nun beide Töchter in der Ferne vermissen.
Auch die übrigen Bewohner des Tales werden mit viel Einfühlungsvermögen dargestellt. Sei es die fast 90-jährige Maggie, die einen einsamen Tod stirbt, sei es der versoffene Terry, der mit niemandem richtig auskommt. Oder das junge Paar, das es eher wegen der günstigen Preise aus der Stadt hierher verschlagen hat. Jeder kennt hier jeden und Anonymität ist noch weniger möglich als Geheimnisse voreinander zu haben.
Es sind eigenwillige bis kauzige Menschen und es geschehen keine spektakulären Ereignisse in diesem ruhigen, ernsten Roman mit seinen hervorragend gezeichneten Charakteren. Und doch lässt er den Leser nicht mehr los, fesselt ihn an diesen kleinen, so großartig beschriebenen Kosmos. Fazit: ein entschleunigter literarischer Leckerbissen, der wie ein schönes melancholisches Lied nachhallt.

# Malachy Tallack: Das Tal in der Mitte der Welt (aus dem Englischen von Klaus Berr); 381 Seiten; Luchterhand Literaturverlag, München; € 20

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) 

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