JUSTIN MAROZZI: „ISLAMISCHE IMPERIEN“


Arabische Eroberungszüge, das aggressive Osmanische Reich und ei brodelnden Kräfte der islamisch beherrschten Staaten des Nahen und Mittleren Ostens – nur von jeher eine Bedrohung Europas und westlicher Werte durch barbarische Horden? Zu eurozentrisch ist dieser Blick und zu sehr lässt er außer acht, dass die dahinter stehenden Mächte machtvolle Blütezeiten einschließlich Kunst, Kultur und Architektur erlebt haben.
Um so verdienstvoller ist die spezielle Sichtweise von Justin Marozzi, der eine objektive Darstellung islamisch geprägter Mächte und ihrer oft glanzvollen Zivilisationen versucht hat. „Islamische Imperien. Die Geschichte einer Zivilisation in fünfzehn Städten“ hat der preisgekrönte Fellow der University of Buckingham das opulente Buch überschrieben.
Der Historiker geht mit einem ebenso charmanten wie spannenden Ansatz ans Werk, indem er die Aufstiegsgeschichte einzelner Machtgebilde anhand von 15 Städten abschreitet. Wobei er im 7. Jahrhundert selbstredend mit Mekka beginnt und jeder der Städte als Machtzentrum der nun folgenden Jahrhunderte ein großes Kapitel widmet. Stets lässt er in die objektiv – also nicht nur aus westlicher Sicht betrachtete – unterlegten wissenschaftlichen Ausführungen auch eigene Erkenntnisse als versierter Reiseschriftsteller einfließen.
Marozzi macht im Vorwort klar, dass es sich bei den 15 Metropolen um eine gegriffene Auswahl handelt. Da fehlt die ein oder andere bedeutsame Stadt, während er andererseits für die Gegenwart Dubai und Doha ausgewertet hat. Und es sollte nicht übersehen werden, dass es nicht ausschließlich arabische Imperien sind, denkt man an das persische Isfahan oder Konstantinopel/Istanbul.
Wobei gerade der Kapitale des Osmanischen Reiches ein besonders gewichtiges Kapitel gewidmet ist, das wie etliche der übrigen auch viel Kriegerisches einschließt. Der Historiker schildert die Eroberung der Hauptstadt des Byzantinischen Reiches in mitreißender Lebendigkeit und stellt fest, dass der Fall dieser Stadt im Jahr 1453 gravierender und folgenreicher als der jeder anderen wirkte und zu einer der markantesten Wendemarken der Weltgeschichte wurde.
Justin Marozzi vermeidet jede Schwarzweißmalerei bei der Präsentation der oft glanzvollen Phasen des nur vermeintlich rückständigen Orients. Fazit: dieses epochenübergreifende Panorama bietet einen anspruchsvollen Überblick über Aufstieg, Blütezeiten und Niedergänge islamischer Machtentfaltung. Das will keine umfassende Geschichte des Islam als weltpolitische Macht sein, doch es gewährt einen oft überraschend anderen Blick aufs Ganze.

# Justin Marozzi: Islamische Imperien. Die Geschichte einer Zivilisation in fünfzehn Städten (aus dem Englischen von Ulrike Bischoff); 589 Seiten, div. Abb.; Insel Verlag, Berlin; € 28

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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