HEIKE LEITSCHUH: „BELÄCHELT, BEKÄMPFT, BEGEHRT“


Bio, das galt in 70er Jahren als Projekt weltfremder, linksorientierter Außenseiter und wurde bestenfalls belächelt. Als es sich in den 80er Jahren zunehmend durchsetzte, wurde es offen angefeindet und bekämpft.
Heute aber sind Lebensmittel und sonstige Waren mit dem 2002 eingeführten Deutschen Bio-Siegel sogar sehr begehrt und das von immer breiteren Bevölkerungsschichten. Einer derjenigen, die dafür mit großem Engagement den Weg bereiteten, ist Ulrich Walter, der mit Ehefrau Angela das erfolgreiche Unternehmen „Lebensbaum“ gründete, als Bio noch als schlichtweg exotisch galt.
Nun liegt eine Biografie zu Walter vor, die aber weit mehr beschreibt als nur seine Vita: „Belächelt, bekämpft, begehrt. Mit Bio-Pionier Ulrich Walter durch fünf Dekaden“. Verfasst hat sie mit Heike Leitschuh eine Wissenschaftlerin, die sich vor allem als Beraterin für Nachhaltige Entwicklung einen Namen gemacht hat. Bewusst stellt sie das Werk Walters in den spannenden Kontext mit den gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen Deutschlands in den rund 50 Jahren.
Tatsächlich war Walter in der Gründerzeit des Bio-Unternehmens „Lebensbaum“ noch ein Bilderbuchvorzeigegrüner mit langen Haaren und Jesuslatschen. Schon früh war der wie seine Frau als Pädagoge Tätige sehr überzeugt von der anthroposophischen Demeter-Philosophie.
Als die Beiden ihr Unternehmen 1979 starteten, lief das zunächst nebenberuflich. Die eigentliche Geburtsstunde kam dann 1983, denn inzwischen gab es immer mehr Bioläden und die brauchten unter anderem Kaffee, Tee und Gewürze in Bio-Qualität. Genau das aber war in Deutschland Mangelware. Unter großem Einsatz und aufgrund von teils kostspieligen „Erfahrungen“ waren die ersten Jahre hart.
Doch es wurden nicht nur immer neue Naturkostläden eröffnet, die Atom-Katastrophe von Tschernobyl sorgte im jahr 1986 für geradezu explosionsartig steigende Umsätze. Erweiterungen und ein Neubau des Betriebs in Diepholz wurden nötig, die Mitarbeiterzahl stieg von acht im Jahr 1988 auf heutige rund 200.
Und in den 90er Jahren erfolgte politisch endlich die Förderung der ökologischen Landwirtschaft und 2002 setzte die grüne Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast gegen große Widerstände sogar das Deutsche Bio-Siegel durch. Bei all den Entwicklungen stand Ulrich Walter stets mit im Mittelpunkt, so bei der Nachhaltigkeit der Produktion, bei der Bildung solch wichtiger Organisationen wie dem Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) oder in seiner Heimatstadt für das Pilotprojekt bei den Stadtwerken zur Versorgung mit Ökostrom.
Fazit: dies ist nicht nur die höchst interessante Lebensgeschichte eines der wichtigsten deutschen Bio-Pioniere, es ist auch die Erfolgsgeschichte der Öko-Entwicklung, die ja weit mehr bedeutet als nur ein Stück Zeitgeist.

# Heike Leitschuh: Belächelt, bekämpft, begehrt. Mit Bio-Pionier Ulrich Walter durch fünf Dekaden; 240 Seiten, div. Abb.; Hirzel Verlag, Stuttgart; € 24

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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