MARK TWAIN: „UNTERWEGS MIT DEN ARGLOSEN“


Mark Twain (1835-1910) hatte schriftstellerisch bereits einiges vorzuweisen, als er 1867 von einer spektakulären Reise hörte. Es gelang ihm, den Auftrag für 50 Reportagen von dieser ersten US-Luxuskreuzfahrt mit der Zeitung „The Daily Alta California“ auszuhandeln.
Was der gewiefte Zeitungsmann von der monatelangen Reise lieferte, wurde schließlich 1869 unter dem Titel „Die Arglosen im Ausland“ in Buchform herausgegeben. Das Werk wurde Twains größter Bucherfolg zu Lebzeiten und das vermutlich erfolgreichste US-Reisebuch überhaupt. Allerdings war diese Ausgabe eine deutlich geglättete Version, denn der junge abenteuerlustige Autor hatte allzu oft Dinge drastisch oder sogar lästerlich beim Namen genannt.
Um so verdienstvoller ist die nun vorliegende Erstübersetzung der Urfassung sämtlicher Berichte, ungekürzt und unzensiert. Hier lautet der Titel nun „Unterwegs mit den Arglosen“ und das trifft es schon insoweit, dass die meisten seiner Mitreisenden auf dem Seitenraddampfer „Quaker City“ fromme Menschen waren, die vor allem der Besuch des Vatikan und der große Abstecher ins Heilige Land reizte.
Der gerade 31-jährige verwegene Mark Twain schrieb respektlos und teils genüsslich satirisch und wagte mitten in Italien, dessen chaotische Schlampigkeit jener Tage ihn offenbar ziemlich nervte, dieses Land als „ein Land, das sechzehn Jahrhunderte lang in der Finsternis des katholischen Aberglaubens umhertappte!“ dazustellen. Doch auch seine Schilderungen der Verhältnisse im Osmanischen Reich inklusive Palästinas lassen an schonungsloser Geringschätzung nichts zu wünschen offen.
Als selbstbewusster Amerikaner pfeift er überdies auf den Nationalstolz mancher Reisegefährten ebenso wie auf die bornierte Kultiviertheit der Europäer. Und immer wieder schreibt er in dem Stil des „tall tale“, den er bereits als Zeitungsmacher seiner „Territorial Enterprise“ in der wild wuchernden Silbermetropole Virginia City/Nevada erfolgreich entwickelt hatte: eine unbekümmerte plakative Vermischung von Reportage, Anekdote und Hinzufantasieren.
Wer die prägende Prosa dieses wortgewaltigen Schriftstellers schätzt, findet hier ein Labsal ungenierten und ungekünstelten Drauflosschreibens, das sich um moralinsaures Getue und Biedermeier-Anstand herzlich wenig schert. Fazit: der berühmte Reisebericht als literarischer Rohdiamant und das in bibliophiler Aufmachung. Wofür Übersetzer und Herausgeber Alexander Pechmann ein besonderer Dank gebührt.

# Mark Twain: Unterweg mit den Arglosen (aus dem Amerikanischen von Alexander Pechmann); 527 Seiten, ill., im Schuber; marebuchverlag, Hamburg; € 44

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen.


Kennziffer: NF 397 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de