JOHN GARTH: „DIE ERFINDUNG VON MITTELERDE“


Ungebrochen ist die weltweite Begeisterung für die Fantasy-Epen von J.R.R. Tolkien. Ein wesentlicher Faktor für diesen nachhaltigen Erfolg kommt dabei diesem einzigartigen Kosmos zu, in dem sich die Hobbits oder der Herr der Ringe tummeln.
Toll erfunden? Ein ausgedachter ferner Planet? Tolkien selbst widersprach dem und machte nie ein Geheimnis um die Tatsache, dass er sein umfangreiches Wissen um nordische Mythen wie die Beowulf-Sage oder die finnische Kalevala in seinen parallelen Fantasiewelten einbrachte. Hinzu kamen die wissenschaftlichen Studien des Alt-Philologen, der viele europäische Mythen als Anregungen oder auch Steinbruch nutzte.
Allein diese Hintergründe für das schier unglaublich fantasievollen Parallelwelten des Autors sind eine Wissenschaft für sich. Und genau als solche hat sich der Tolkien-Experte John Garth dem gewidmet mit einer großen Untersuchung unter dem Titel „Die Erfindung von Mittelerde“. Im Untertitel nennt er die Fragestellung des opulenten Werkes: „Was Tolkien zu Mordor, Bruchtal und Hobbingen inspirierte.“
Mittelerde beruhte für Tolkien auf seiner Faszination für die Erde an sich und hier spielte die unmittelbare Heimat in den englischen Midlands eine wichtige Rolle. Man denke hier an Auenland. Wogegen die wüsten Sumpflandschaften ganz offensichtlich an Tolkiens schlimme Erfharungen auf den schlammigen Schlachtfeldern der furchtbaren Somme-Schlacht (Frankreich 1916) erinnern, die Garth auch näher untersucht. Und er lässt bei seinen intensiven Forschungen Biografisches und Historisches ebenso einfließen wie eben die bedeutsamen Sagen und Sprachen.
So wie der leidenschaftliche Sprachwissenschaftler Tolkien mit akademischer Strenge und Detailgenauigkeit seine Fantasiewelten aufbaute, so bereicherte er sein Werk mit eigens entwickelten Sprachen. Dieser beispiellose Einfallsreichtum ist dafür auf Realem fundiert, wo dann Landschaften, Flüsse, Buchten, Burgen und Bauten in England wie auch anderswo ihre erkennbare Entsprechung haben.
John Garth belegt, wie sehr fast alles Erfundene Vorbilder in der Realität hat. Dazu führt er neben zahlreichen anderen Abbildungen auch etliche Karten von Regionen in Mittelerde vor und stellt das reale und oft sehr ähnliche Pendant daneben. Ohnehin bietet er auch manch bisher unveröffentlichtes Material und immer wieder auch Zeichnungen und Illustrationen aus Tolkiens Hand an. Darunter dann auch die imaginäre Landschaft auf dem Einband von „The Hobbit“ bei der Erstauflage von 1937.
Das Alles fasziniert mit den profunden spannenden Beweisführungen wie auch mit interessanten Anekdoten sowie mit der Fülle des Bildmaterials. Fazit: für alle Tolkien-Fans eine wahre Fundgrube und ein hervorragendes Nachschlagewerk, aber auch für jeden anderen Literaturfreund eine sprudelnde Quelle des Wissens um das Schaffen eines Kultautors, der einst einer neuen literarischen Welt bahn gebrochen hat.

# John Garth: „Die Erfindung von Mittelerde. Was Tolkien zu Mordor, Bruchtal und Hobbingen inspirierte (aus dem Englischen von Andreas Schiffmann); 208 Seiten, über 100 Abb., Großformat; wbg THEISS Verlag, Darmstadt; € 32

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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