ACHIM REICHEL: „ICH HABE DAS PARADIES GESEHEN. MEIN LEBEN“


Was für eine Bandbreite: vom „Star Club“ über die Neuerfindung des Shantysongs bis zum späten Triumph in der ausverkauften Elbphilharmonie: Achim Reichel steht seit 60 Jahren auf der Bühne und ist an Vielseitigkeit kaum zu überbieten.
Das erfährt man spätestens, wenn man seine Autobiografie „Ich habe das Paradies gesehen“. Mein Leben“ liest.
Um die in Ruhe schreiben zu können, reiste er als einziger Passagier auf einem Containerschiff nach Namibia. Schnörkellos und ganz der unprätentiöse Junge aus St. Pauli erzähtl er von einem Musikerleben, das ihm nicht nur immer wieder neue Chancen eröffnete – er wusste auch stets, das Beste daraus zu machen.
Mit kaum 17 stand der Sohn eines Seemanns, den er eher selten zu Gesicht bekam, mit der Beat-Band „The Rattles“ auf der Bühne. Die spielte an gegen das in deutschen Landen allgegenwärtige Schlagergerümpel und Hamburg war ein Paradies für solche Bestrebungen als angesagter Platz mit Stätten wie dem „Star Club“. Dort spielte, was international im Rock&Roll angesagt war und die Hansestadt wurde zum Mekka aufstrebender englischer Bands.
So spielten die Rattles unter anderem als Vorbands von Beatles und Rolling Stones. Und waren so gut, dass sie mit solchen Raketen sogar England-Tourneen machten und selbst im legendären Liverpooler „Cavern Club“ auftreten durften. Nach den Rattles gründete Reichel die erste kurzlebige Superband „Wonderland“ und wurde Anfang der 70er Jahren sogar ein Wegbereiter des sogenannten Krautrocks.
Dieses Kapitel über „A.R. & Machines“, die mit dem Geniestreich „Die Grüne Reise“ und weiteren Alben unter anderem Größen wie Brian Eno und Kraftwerk inspirierten, gehört zu den interessantesten des Buches. Es folgen Ausflüge, wie sie für einen Rockmusiker recht ungewöhnlich waren wie Musik mit Texten von Jörg Fauser, aber auch hehrer Dichter wie Goethe.
Und dann in den 90er Jahren der eigentlich völlig unwahrscheinliche und zugleich größte Erfolg mit Shanties und Pseudo-Shanties wie „Aloha Heja He“ - aus dem auch der Buchtitel stammt – und ausverkauften Tourneen. Reichels Privatleben streift der Unermüdliche auch, Legende aber sind all die berühmten Kollegen aus aller Welt, mit denen er teils enge kollegiale Beziehungen pflegte.
Fazit: ein wahrhaft einzigartiges Künstlerleben, erzählt von einem ebenso kreativen wie gradlinigen Musiker, der auch im Tempel der Elbphilharmonie nicht fremdelt und längst eine lebende Legende ist.

# Achim Reichel: Ich habe das Paradies gesehen. Mein Leben; 415 Seiten, div. Abb.; Rowohlt Verlag, Hamburg; € 24

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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