KATJA EBSTEIN: DAS GANZE LEBEN
IST BEGEGNUNG
Eine Autobiografie wollte Katja Ebstein nicht zu ihrem 75. Geburtstag schreiben, zu einer
Art Memoirenband aber ließ sie sich überreden. Dem gemeinsam mit Uwe Baumann verfassten
Buch gab sie den Titel Das ganze Leben ist Begegnung.
Das ist weitgehend wörtlich zu nehmen, denn nach Ausführungen über die Flucht in ihrem
Geburtsjahr 1945 und der Kindheit in West-Berlin sind es vor allem die sehr
unterschiedlichen Erlebnisse mit durchweg interessanten Zeitgenossen. Das führt zugleich
auf eine Zeitreise insbesondere durch die Bundesrepublik, wobei Willy Brandt eine
herausragende Rolle für sie spielte.
Mein politischer Ziehvater wurde er bereits in seiner Zeit als Regierender
Bürgermeister von West-Berlin und als durch und durch politischer Kopf engagierte sich
die aufstrebende Sängerin auch aktiv an seiner Seite im Wahlkampf 1972. Ihr Interesse
setzte aber schon früher ein, so war sie persönlich mit dem musischen
Schöpngeist Benno Ohnesorg befreundet, dessen Tod am 2. Juni 1967 durch einen
Berliner Polizisten der sich später als gezielter Mord herausstellte so
folgenreich für die 68-er Bewegung auswirken sollte.
Und Katja Ebstein macht kein Hehl daraus, wie sehr sie die Ideale der 68er bis heute
verinnerlicht hat. Entsprechend enthält ihr Erinnerungsband denn auch besonders viele
Kapitel über Begegnungen mit Politikern, Kabarettisten und dergleichen. Geistiges Idol
ist dabei Heinrich Heine, dem sie sigar ein ganzes Kapitel widmet. Doch selbst Angela
Merkel und ihr umstrittenes Postuilat Wir schaffen das angesichts der
hereinströmenden Flüchtlingsströme findet eine Würdigung der bis heute politisch
engagierten Künstlerin.
Bevor sie dann doch noch den quasi unverzichtbaren Ausflug in ihre erfolgreiche
Schlagerzeit mit gleich drei großen Erfolgen beim Grand Prix d'Eurovision
unternimmt, schildert sie die vielleicht beeindruckendste politische Begegnung überhaupt:
1990 bei einem Festessen in Bonn und ihr direkter Tischnachbar und Gesprächspartner ist
der erst kürzlich aus jahrzehntelanger Haftzeit freigekommene Nelson Mandela.
Fazit: in ungeschöntem Erzählton die ganz uneitle Memoirensammlung einer sympathischen
Künstlerin aus einem bewegten Leben.
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