KAMALA HARRIS: „DER WAHRHEIT VERPFLICHTET“


In den USA gehört es fast schon zum guten Ton, für die Kandidatur zu einem hohen Staatsamt mit einem Buch über sich selbst und seine Absichten ins Rennen zu gehen. Auch die seit zwei Monaten amtierende Vizepräsidenten Kamal Harris hat das getan, allerdings bereits im Januar 2019, kurz bevor sie ihre eigene Kampagne für den Vorwahlkampf für das Präsidentenamt ankündigte. Wo sie bekanntlich recht früh aufgab.
Das ist wichtig zu wissen, wenn ihr Buch unter dem Titel „Der Wahrheit verpflichtet. Meine Geschichte“ nun auch auf Deutsch erscheint. Während diese Memoiren in den USA vor allem zur Befeuerung ihres Wahlkampfes angesetzt aber auch als 'Running Mate' neben Joe Biden nützlich war, dient es jetzt zum besseren Kennenlernen der hier noch eher oberflächlich bekannten Politikerin.
Im Vorwort reißt sie bereits an, was sie umtreibt, denn sie beginnt mit der Freude am 8. November 2016, als sie zur ersten Schwarzen aus Kalifornien für den US-Senat gewählt worden ist. Und in derselben Nacht ihre Freude bitter getrübt wird, weil der dotterblonde Poltergeist – dessen Namen sie übrigens konsequent weglässt – das Weiße Haus erobert hat: „Diesmal ging es um die Seele unseres Landes.“
Eingangs erführt man dann einiges aus Kinder- und Jugendtagen und welch überragende Rolle ihre Mutter dabei spielte. Voller Bewunderung schildert Harris die kleine Inderin als wahre Löwin mit Doktortitel und intensivem Einsatz in der Krebsforschung. Die Eltern, sie aus Indien eingewandert, er Wirtschaftswissenschaftler aus Jamaika, engagieren sich in den 60er Jahren bei der Bürgerrechtsbewegung und ganz offensichtlich haben sie auch nach ihrer Trennung dazu beigetragen, das sich Kamala Harris schon früh derartig für Recht und Gerechtigkeit interessierte, dass die spätere Berufswahl auf der Hand lag.
Ihr Weg durch Studium, Praktika und schließlich bis zur Wahl zur Generalstaatsanwältin für Kalifornien und die weiteren Schritte sind voller kämpferischer Schilderungen. Da wird ihr Kampf gegen üble Praktiken von Banken und Immobilienbranche zum typischen Beispiel für die hartnäckige und nötigenfalls auch bissige Art dieser Frau, politisch auch ganz dicke Bretter zu bohren. Und wie sie andeutet und auch schon unter Beweis gestellt hat, besitzt sie diese für Politiker so ungemein wichtige Eigenschaft: Charisma.
Zu sozialer Gerechtigkeit, dem Kampf gegen den Rassismus in der Strafverfolgung und vielem mehr offenbart sie ihre Positionen und Zielvorstellungen. Da kommt das Private fast ein wenig zu kurz, dabei liest sich die Geschichte ihrer Ehe und wie es überhaupt dazu kam ausgesprochen charmant.
Gleichwohl sollte man von dieser Vollblutpolitikerin, die von manchen gern als Pendant zu Barack Obama gesehen wird, keine literarischen Höhenflüge wie in dessen Büchern erwarten. Für den US-Wahlkampf war es vor allem ein geschickt gemachtes Werbemittel in eigener Sache, für uns nun ist es ein in vielem aufschlussreiches Kennenlern-Buch der Vizepräsidentin der USA. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

# Kamala Harris: Der Wahrheit verpflichtet. Meine Geschichte (aus dem Amerikanischen von Jürgen Neubauer); 334 Seiten, div. Abb.; Siedler Verlag, München; € 22

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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