BENEDICT WELLS: HARD
LAND
In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb. Wieder einmal
eröffnet Benedict Wells einen Roman mit einem markanten ersten Satz. Und der ist hier
auch Programm, denn im Mittelpunkt steht der Wandel eines Teenagers vom Kind zum jungen
Erwachsenen.
Hard Land lautet der Titel und der bezieht sich auf einen Gedichtband, den der
fiktive Dichter William J. Morris in den verklemmten 50er Jahren verfasste. Morris ist die
einzige Berühmtheit von Grady, Missouri, einem stinklangweiligen Kaff in der Ödnis des
Mittleren Westens. Die der 15-jährige Ich-Erzähler Sam als trostlos empfindet, zumal er
als Außenseiter mit Angstattacken auch keine Freunde hat.
Dafür aber einen mürrischen arbeitslosen Vater und eine liebevolle jedoch krebskranke
Mutter. Jetzt zu Beginn der elfwöchigen Sommerferien 1985 wollen sie ihn zu Verwandten in
Kansas schicken. Allein schon um den verhassten Cousins zu entgehen, sucht sich Sam einen
Ferienjob. Und findet ihn im einzigen, abgetakelten Kino des Ortes. Was sich als
ungeahnter Glücksfall erweiset, denn er trifft auf drei weitere Teenager, die dort
jobben, um nach den Ferien endlich weg zu können.
Da ist der schlagfertige filmverrückte Cameron, die schwarze Sportkanone Brandon mit dem
treffenden Spitznamen Hightower und schließlich die draufgängerische
Kirstie, Tochter des Kinobetreibers. In die sich Sam selbstredend sofort verliebt. Das
vorläufig beste an dieser Konstellation jedoch ist, dass die Drei ihn allmählich in ihre
Clique aufnehmen, obwohl sie etwas älter sind als er.
Immer mehr kann Sam den Bedrückungen der familiären Probleme ausweichen. Obendrein legt
er zunehemnd Ängste ab, besteht sogar eine Mutprobe und genießt das herrliche endlose
Abhängen mit den Freunden. Das am großartigsten 16. Geburtstag, den man sich nur
vorstellen kann, dann inem nicht einmal erträumten Höhepunkt gipfelt: dem ersten Kuss.
Doch die Tragödie folgt auf dem Fuße, denn der stets im Hintergrund lauernde Tod der
Mutter tritt ein. So nahe liegen größtes Glück und tiefste Trauer. Und in der
Erinnerung spielt schließlich jener Gedichtband Hard Land eine
unterschwellige Rolle. Jede 11. Klasse muss einen Aufsatz über die mutmaßliche Bedeutung
jenes zentralen Gedichts über die Bootsfahrt eines Jünglings über den nahen Lake Virgin
machen.
Auch Sam bleibt der verklausulierte Text ein Rätsel, dabei müsste er doch erkennen, dass
er mitten in eben jenem beschriebenen Übergangsstadium steckt. Fazit: eine sensible Fahrt
durch einen typischen Teenager-Sommer, nach dem das Leben so ganz anders ist als zuvor.
Seinen besonderen Charme findet der bittersüße Roman durch seine stilsichere Ansiedlung
Mitte der 80er Jahre mit viel Pop-Musik, Filmen und was die Jugend damals sonst noch so
alles beschäftigte.
|