BURKHARD BENECKEN:
CLAN-LAND
Deutschland im Jahr 2044: seit sieben Jahren regiert die ZTP (Zero Tolerance Partei) mit
absoluter Mehrheit und die massiven politischen Umwälzungen stoßen auf große
Zustimmung. So krempelte die Justizreform von 2039 den Rechtsstaat um. Man braucht keine
Richter mehr, denn die Urteilssprechung erfolgt durch das Volk bis hin zur wieder
eingeführten Todesstrafe.
Strafverteidiger können da natürlich glänzen und der smarte Ludwig van Bergen ist der
brillanteste unter ihnen. Er steht im Mittelpunkt des Politthrillers Clan-Land
von Burkhard Benecken. Der Autor ist selbst ein erfahrener Strafverteidiger mit besonderer
Expertise für die Clan-Problematik. Und die spielt eine entscheidende Rolle in diesem
schönen neuen Deutschland.
Vor dem Einstieg in die sogleich mitreißende Handlung muss auf die drastisch gewandelten
gesellschaftlichen Verhältnisse hingewiesen werden. Nach der zweiten großen
Flüchtlingswelle von 2023 und der grassierenden Clan-Kriminalität sorgte die ZTP für
klare Verhältnisse: Koexistenz statt Multikulti. Während die
Rechtskonservativen einerseits mit Fortschritten bei der Umweltpolitik wie dem Verbot von
Verbrennungsmotoren und sogar einem absoluten Vegetarismus weltweit bewundert werden, ist
die Partei zugleich dabei, Deutschland zu einem Apartheidsstaat umzuformen.
Muslime sind die Zielgruppe und die Anti-Clan-Gesetze von 2037 führen zu ihrer
Entrechtung. Es bleibt ihnen kaum noch möglich, ein normales Leben zu führen und es gibt
Berufsverbote. Hinzu kommt die Pflicht zu eingepflanzten Trackingchips eine Art
elektronischer Judenstern. Millionen dieser Menschen sind damit nur noch Bürger zweiter
Klasse: Die deutschen Muslime waren das Opfer, auf das alle Parteien sich einigen
konnten im Tausch für die grüne Wende und Frieden im Lande.
Doch rund 600.000 Muslime leben quasi mit den alten Freiheiten: in den beiden Autonomen
Zonen Berlin und Neu-Essen. Abgeschottet mit eigenem Rechtssystem, lassen sie keine
Bio-Deutschen in ihren Kosmos. Und sie leben recht gut dabei nach einem
ominösen Abkommen mit der Bundesregierung über die Legalisierung von Drogen.
Im Roman nun erlebt man zunächst Ludwig van Bergen, den Jaguar unter den
Strafverteidigern, bei einer der pervertierten Gerichtsshows. Nach einem erneuten
Triumph, bei dem er das Publikum zum Freispruch für einen üblen Vergewaltiger
manipuliert, erhält er eine ebenso ungewöhnliche wie verlockende Einladung: Abed
Al-Zahiri, einer der mächtigsten Clan-Chefs des Landes, möchte ihn in seinem Reich
sprechen.
Geschmeichelt besucht der Superstar der neudeutschen Rechtsprechung den Herrscher über Al
Amal, die Hoffnungsvolle, wie die quirlige Autonome Zone in Neu-Essen genannt
wird. Al-Zahiri versteht es, den narzisstischen Erfolgsmenschen für sich einzunehmen. Und
er hat eine Aufgabe zu bieten, die es in sich hat, denn van Bergen soll seinen
Auftragsmörder Zeyman vorm Volksgericht verteidigen - Freispruch statt Todesstrafe.
Auch dieses sogenannte Gerichtsverfahren vor laufenden Kameras wird wieder so mitreißend
geschildert, wie man es von den Romanen John Grishams bekanntlich ebenfalls ein
Autor mit Hauptberuf Strafverteidiger kennt. Aus diesem Erfolg entwickelt sich eine
immer intensivere Freundschaft der Alphatiere van Bergen und Al-Zahiri. Der den Staranwalt
jedoch für etwas viel Größeres einspannen will: er strebt an, Al Amal komplett zu
legitimieren als neue gleichberechtigte Staatsform und van Bergen soll als Mittler bei der
Bundesregierung wirken.
Der Leser aber weiß, was bereits eingangs angedeutet wurde: Bundesinnenminister Hackner,
eine besondere Hassfigur für die Muslime, wurde entführt. Und prompt wird van Bergen
gleich vom Staatsschutz unter Druck gesetzt. Zudem denkt die ZTP längst an das Gegenteil
der Pläne Al-Zahiris als einem Tumor im deutschen Körper.
Womit van Bergen in seiner Eitelkeit und Arroganz in eine aberwitzige Verschwörung
taumelt. Es ist atemberaubend spannend, wie das Alles mit manch überraschenden Wendungen
in ein infernalisches Finale treibt. Ein wahrhaft dystopischer Politthriller, der auch mit
vielen Details aus diesem neuen Deutschland fasziniert.
Und bei all dem erschreckend vorstellbar wirkt, denkt man an die deutsche Vergangenheit
wie auch an gewisse aktuell unheilvoll rührige Gruppierungen. Fazit: ein haarsträubender
und durchaus heikler Roman, der bis zuletzt fesselt und beunruhigt.
|