THOMAS MEDICUS: „HEINRICH UND GÖTZ GEORGE. ZWEI LEBEN“


Heinrich George (1893-1946) und sein Sohn Götz (1938-2016), das war ein einzigartiges Vater-Sohn-Gespann. Doch eine Doppelbiografie zu diesen beiden Vollblutschauspielern zu schrieben bedurfte schon eines ebenso gründlichen wie sensiblen Autors wie dem renommierten Thomas Medicus.
„Heinrich und Götz George. Zwei Leben“ ist das Werk überschrieben. Wer sich da an die wuchtige Gestalt von Vater George aus seinen berühmten Filmen erinnert, wird sich zunächst wundern, von einem gertenschlanken Jungschauspieler zu lesen, der 1912 in Kolberg erstmals auf der Theaterbühne stand. Um dann nach nach dem Ersten Weltkrieg trotz schwerer Kriegspsychose eine steile Karriere zu starten.
Mit voller Überzeugung spielte er linksorientierte Theaterstücke, reüssierte aber auch früh beim stark aufsteigenden neuen Medium Film, bis hin zu einem Kultfilm wie „Metropolis“. Und dieser Bühnenberserker glänzte auf den wichtigsten Bühnen als Götz von Berlichingen wie kein anderer, gehörte dann aber auch zu den wenigen Stars, für die der Tonfilm dank massiver Körperlichkeit und Stimme erst den richtigen Aufstieg eröffnete.
Bald schon einer der Größten auf der Bühne und im Film und populär wie ganz wenige, bremsten ihn die Nazis 1933 nach der Machtergreifung sofort aus. Doch der Star beugte sich den Zwängen und wurde zum willigen Mitläufer. All die Privilegien, das Hofiertwerden bis hin zum Wohlwollen von Filmfanatiker Joseph Goebbels waren dabei jedoch nicht so wichtig wie die Möglichkeiten des weiteren Auftretens: „Heinrich George war ein schauspielerischer Nimmersatt.“
Da hatte es etwas Tragisches, dass seine letzter großer Kinoerfolg der höchst fragwürdige Durchhaltefilm „Kolberg“ sein sollte. Längst war George mit Propagandafilmen für das NS-Regime bis hin zu dem üblen Machwerk „Jud Süß“ aber auch nimmermüden Tournee und Lesungen zum Wohlhabenden Mann mit Villa am Wannsee und vielen anderen Annehmlichkeiten geworden.
Wie suchtartig und zugleich politisch naiv sein Schauspieltrieb war, zeigten ernst gemeinte Absichten, gleich nach dem Kriegsende im völlig zerstörten Berlin wieder ein Theater eröffnen zu wollen. Stattdessen jedoch inhaftierten ihn die Sowjets mehrfach zu Verhören, um ihn im Juni 1945 endgültig einzubehalten. Am Ende landete die Lichtgestalt des Nazi-Kulturschaffens im ehemaligen KZ Sachsenhausen, wo er nach Zeugenaussagen mit 53 Jahren nach einer Blinddarm-Operation verstarb.
Götz, der jüngere der beiden George-Söhne, war noch keine sieben Jahre alt, als er die Schrecken des Krieges in Berlin miterlebte. Noch viel schlimmer aber erlebte er den zwar sehr oft abwesenden aber bewunderten Vater bei den kurzen Aufenthalten zwischen den ersten Verhaftungen als gebrochenen, schwer gealterten Mann. Der große patriarchalische Held (der allerdings auch berüchtigt war für seine grobe und aufbrausende Art) wurde gleichwohl und zugleich auch geradezu zwingend lebenslang ein intensives schauspielerisches Vorbild.
Hinzu kam als weitere Prägung die schauspielernde Mutter Berta Drews (1901-1987), selbst einer der großen Stars der 30er- und 40-er Jahre. So stand der Sohn mit 12 erstmals auf der Bühne und spielte mit 18 beim DEFA-Film „Alter Kahn und junge Liebe“ seine erste Hauptrolle. „Im Schatten seins Vaters Schauspieler zu werden war für Götz George sowohl Bürde als auch Ansporn.“
Der Weg zur breiten Anerkennung aber zog sich trotz hervorragender Leistungen nicht zuletzt wegen guter aber wenig zugkräftiger Filme hin. Wie sein Vater war der junge George ein Schauspieler von betonter und beeindruckender Körperlichkeit und entsprechend kröperbetont trat er stets auf. Die erste vielgerühmte Meisterleistung dann 1977 in der Rolle des Auschwitz-Kommandanten Franz Lang.
Wirklich zur Kultfigur und zum allseits beliebten Star aber machte ihn „Schimmi“, seine Paraderolle als Kommissar Horst Schimanski. Von 1981 bis 2013 begeisterte dieser Typ des neuen Mannes als Prolet mit Charme und Sex-Appeal. Doch Götz George trat noch mit anderen Glanzrollen aus dem Schatten seines übergroßen Vaters.
Er war das Gesicht in hinreißenden Komödien wie „Schtonk“ und „Rossini“, um dann mit seiner genialsten Charakterrolle „Der Totmacher“ den Volpi-Schauspielpreis in Venedig zu gewinnen, eine der höchsten Auszeichnungen der Filmwelt. Doch im Gegensatz zu seinem poltrigen extrovertierten Vater war Götz George privat ein sensibler und geradezu scheuer Mensch.
Den es um so härter traf, als ihm in den so erfolgreichen 90er Jahren gleich zweimal privat übel mitgespielt wurde. Da erlitt er einen schweren Unfall, als er beim Tauchen von einem Motorboot überfahren wurde und monatelang um Gesundung und Wiedergutmachung kämpfen musste. Und dann lief die Trennung von seiner langjährigen Partnerin aus dem Ruder, als die beider Privatleben durch die Sensationspresse zog.
Fazit: Vater und Sohn als herausragende Schauspielkünstler, zwei pralle Leben eng miteinander verknüpft, obwohl sie kaum acht Jahre gemeinsam auf der Welt waren – eine großartig gelungene, ebenso detailliert wie lebendig geschriebene Doppelbiografie.

# Thomas Medicus: Heinrich und Götz George. Zwei Leben; 414 Seiten, div. Abb.; Rowohlt Verlag, Berlin; € 26

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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