GRIT POPPE: „VERRATEN“


Grit Poppe, Tochter des DDR-Bürgerrechtlers Gerd Poppe, widmet sich in ihrem jüngsten Jugendroman unter dem Titel „Verraten“ erneut einem düsteren Kapitel des ostdeutschen Unrechtssystems: der Rekrutierung von Jugendlichen für die Stasi.
Im Mittelpunkt stehen Sebastian und Katja, etwa im Jahr 1985. Der kaum 16-Jährige muss nicht nur den Tod seiner liebevollen Mutter verkraften, statt nun bei seiner Oma leben zu können, überweist man ihn als angebliche Übergangslösung in ein sogenanntes Durchgangsheim. Das aber erweist sich eher als Gefängnis für Kinder und Jugendliche.
Allerdings findet er in Herrn Kettler einen heimlichen Idealisten unter den Pädagogen. Der sorgt dafür, das Vater Gerry – mit dem Sebastian sein Leben lang quasi keine Berührung hatte – ihn tatsächlich aus dem Heim zu sich holt. Oder folgt das einer Strategie? Immerhin war sein Vater eine Zeitlang politischer Häftling und gilt noch immer als Staatsfeind.
Prompt dauert es gar nicht lange, bis Vertreter der Stasi (Ministerium für Staatssicherheit) Sebastian kontaktieren: er soll seinen Vater ausspionieren. Und noch viel mehr, er soll sich auch in Schule und Freizeit unter seinen Alterskameraden „umhören“ und berichten. Dabei weiß die Stasi nicht einmal, dass ihn nicht nur die Drohung einer erneuten Heimunterbringung zur Verpflichtung als IM (Inoffizieller Mitarbeiter) und zum Gehorchen zwingt.
Er hatte nämlich in dem Durchgangsheim ja auch Katja kennengelernt. In schwierigen Verhältnissen aufgewachsen, ist sie im Gegensatz zu Sebastian ein ungebärdiger Wildfang. Entsprechend ist sie bereits mehrfach aus staatlicher Obhut geflüchtet. Und jetzt wieder und ausgerechnet Sebastian hat sie auf dem Dachboden des väterlichen Hauses versteckt.
Käme das heraus, hätte es für Beide übelste Konsequenzen wie die Quasi-Inhaftierung in einer der zu recht berüchtigten Jugendwerkhöfe. Da muss Sebastian mit seinem quälenden Dilemma wegen der widerwärtigen Bespitzelung seines Vaters wie auch ahnungsloser Mitschüler erst einmal klar kommen.
Grit Poppe hat aus der Thematik einen bis zuletzt fesselnden Roman mit sehr authentischen Charakteren gemacht. Und das Geschichte ist ganz und gar realistisch, denn es basiert auf einem echten Vorbildschicksal. Angehängt hat sie außerdem ein Interview mit Christian Ahnsehl, der Ähnliches erlebt hat.
Der damals 15-Jährige wurde in Rostock als IM verpflichtet und erzählt Fakten und Details, die sich heutige Jugendliche wahrscheinlich kaum vorstellen können. Die perfiden Methoden der Anwerber und die Führungsoffiziere – die im Übrigen immer sehr freundlich zu ihren so nützlichen Schützlingen waren.
Fazit: ein spannender Jugendroman, der zugleich so exemplarisch und wichtig ist, dass er unbedingt auch als Schullektüre zu empfehlen ist.

# Grit Poppe: Verraten; 367 Seiten, Klappenbroschur; Dressler Verlag, Hamburg; € 12

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) 

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: KJB 867 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.