JANET LEWIS:
VERHÄNGNIS
Janet Lewis (1899-1998) war in den USA eine hochgeschätzte Erfolgsautorin als Lyrikerin
und mit einigen Romanen. Außerdem lehrte die einstige Schulkameradin Ernest Hemingways an
den namhaften Universitäten von Berkeley und Stanford. In Deutschland wurde ihr Werk
dagegen mit den Romanen Die Frau, die liebte und Der Mann, der seinem
Gewissen folgte erst Jahrzehnte später bekannt.
Nun liegt endlich der dritte ihrer großen Justizromane unter dem Titel
Verhängnis auch auf Deutsch vor. Bereits 1959 erschienen, basiert auch er auf
einem echten historischen Kriminalfall. Diesmal führt das Geschehen in das Paris von 1694
und an den Hof des sogenannten Sonnenkönigs Ludwig XIV., der mittlerweile seit 51 Jahren
auf dem Thron sitzt.
Im Mittelpunkt steht die Familie des Buchbinders Jean Larchet, der den jungen Paul Damas
als Gehilfen einstellt. Bei Hofe gehen derweil die Wogen hoch, denn zum Einen kursiert ein
Pamphlet, das den König und sein Lotterleben mit all den Mätressen schmäht. Hinzu kommt
noch ein kritischer anonymer Brief, der allerlei moralische Missstände bis hin zu den
zahlreichen Kriegen an den Pranger stellt.
Während Larchets Sohn Nicolas mit eigenen Ideen für sein Leben als junger Erwachsener in
die Ferne schweift, lässt sich die bis dahin so brave Ehefrau Marianne auf eine Affäre
mit dem Gehilfen ein. Erstmals empfindet sie heftige Gefühle und setzt bei aller
Heimlichkeit ihre Ehe aufs Spiel. Völlig betört von dem halb so alten Geliebten, muss
sie jedoch stets damit rechnen aufzufliegen.
Das um so mehr, weil Paul immer besitzergreifender wird und sie schließlich ganz für
sich beansprucht. Das setzt einen perfiden Plan in Gang, der bald zum titelgebenden
Verhängnis führt. Paul ist im Besitz einiger Exemplare der Schmähschrift gegen den
König.
Dieser hatte inzwischen gegen beide Anwürfe Maßnahmen eingeleitet. Als Schreiber des
kritischen Briefes war ausgerechnet Abbé Fenelon aufgedeckt worden, der Hauslehrer eines
der Enkel Ludwigs. Bei ihm blieb es jedoch bei Maßregelungen, der Initiator des in der
Öffentlichkeit kursierenden Pamphlets dagegen sollte gnadenlos verfolgt und zum Tode
verurteilt werden. Und dann sorgt Paul Damas dafür, dass der Verdacht auf den Buchbinder
Jean Larchet fällt. Mit dramatischen Folgen für alle Beteiligten.
Janet Lewis hat eigens einen Stipendienaufenthalt in Paris absolviert, um die historischen
Hintergründe dieses Romans zu recherchieren. Das Ergebnis besticht einerseits durch das
darauf beruhende hervorragende Zeit- und Lokalkolorit insbesondere des normalen
Alltagslebens im Paris jener Zeit. Zugleich hat der weibliche Blick gerade auf Denken und
Fühlen der untreuen Marianne einen besonderen Charme, zumal die Autorin vermieden hat,
modernes Denken in das Verhalten aller Protagonisten zu projizieren.
Verhängnis wirkt seltsam aus der Zeit gefallen, doch gerade dieser klare
souveräne Stil dieses Romans wie eben vor 60 Jahren üblich kann überzeugen. Im Übrigen
fügt die Literaturwissenschaftlerin Julia Encke ein erhellendes Nachwort zur Entstehung
des Werkes ein. Fazit: kein Historienschmöker sondern ein ebenso unterhaltsames wie
authentisch wirkendes Stück Literatur auf gehobenem Niveau.
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