MAXIM VOLAND: „DIE REPUBLIK“


Schöne Grüße aus der DDR, dem Global Player, der wirtschaftlich und militärisch eine Großmacht ist und technologisch auf Spitzenniveau. Am 7. Oktober 1949 gegründet und dank eines unglaublichen Coups sogleich um die Länder der soeben erst entstandenen Bundesrepublik erweitert. Einzig West-Berlin konnten die Alliierten als freies Deutschland retten und offiziell heißt es deshalb international Berlin-Deutschland.
Diese irre Konstellation hat Maxim Voland für seinen ersten Politthriller entworfen, der in unserer Gegenwart spielt. Und es sei vorweg gesagt, dieser Autor zieht alle Register hin Sachen Hochspannung und die beherrscht er glänzend als vielfach ausgezeichneter Meister eines gänzlich anderen Genres: hinter dem Pseudonym verbirgt sich Fantasy-Guru Markus Heitz!
Was die Mächtigen der inzwischen auf die nur noch mäßig strahlende Russische Föderation reduzierte ehemalige Sowjetunion damals in der Hand hatte, um die Alliierten zum Abwandern zu zwingen, wird eisern verschwiegen. Lediglich West-Berlin konnten sie halten, wo sich jetzt unter anderem ihre Geheimdienste tummeln. Den DDR-Bürgern aber geht es gut und dank cleverer Planwirtschaft gelangt ein fulminanter Aufstieg, in dem Mangelwirtschaft ein Fremdwort ist.
Dafür funktioniert der Überwachungsstaat nahezu perfekt und das Ganze erinnert stark an die Verhältnisse in der realen Großmacht China. Natürlich gibt es auch in dieser DDR Unzufriedene. Wie den Stasi-Oberst Gustav Kuhn, ehemals Spitzenermittler, mittlerweile aber desillusioniert vom System, will er sich mit seiner heimlichen Liebe Nadja ins Ausland absetzen.
Stattdessen muss er jedoch miterleben, wie diese Nadja mit hunderten weiterer Menschen mitten in der Haupstadt umkommt. Vom Restaurant auf dem Fernsehturm aus wird er Augenzeuge, wie eine Giftgaswolke über den Platz der Republik und durch die Straßen wabert und die Betroffenen elendig verrecken lässt. Entsetzlicher Unfall oder terroristischer Anschlag, und wenn, mit welchem Ziel?!
Kuhn schafft es mit seiner sehr persönlichen Motivation, zum Sonderermittler mit allen Befugnissen ernannt zu werden. Dass es sich um Sarin aus alten sowjetischen Beständen handelte, steht schnell fest, alles andere aber bleibt undurchsichtig, zumal Kuhn gleich mehrmals dubiose aber äußerst professionell arbeitende Leute wichtige Zeugen vor der Nase eliminieren.
Doch auch in West-Berlin sind die Dienste aufgescheucht, denn die Spekulationen um den Coup von 1949 sind nie ganz verstummt. Gibt es womöglich Revanchegelüste, die sich nun bahn brechen? Das will vor allem der alte Haudegen Bristol vom britischen MI6 wissen, der mehr über damals zu wissen scheint. Für ihn ist Harper Parker-Moreau auf der Pirsch, eine ebenso attraktive wie eiskalte Agentin in der Manier eines James Bond, die auch gern mal auf eigene Rechnung arbeitet.
Während der clevere Kuhn sich trotz aller Erfahrungen immer wieder auch selbst seiner Haut erwehren muss und bei Harpers Recherchen der Blutzoll ständig anschwillt, kommt ein dritter Handlungsstrang hinzu mit dem Übersetzer Christopher Jean Mueller. Wegen seiner saarländischen Vorfahren wird der Franzose zur Beerdigung des Uropas eingeladen und er erlebt erst einmal den typischen DDR-Grenzirrsinn, staunt jedoch andererseits auch über die Realität in einem Staat, gegenüber dem außerhalb viele Vorurteile gepflegt werden.
Christopher hat in Cousine Alicia eine interessante Mitspielerein, weil sie systemkritisch ist. Zunächst aber gewährt der Umgang mit den unbekannten Verwandten in ziemlich gemächlichen Passagen inmitten der ansonsten so wilden Entwicklungen kleine Atempausen mit Schilderungen aus dem DDR-Alltag.
Bis eine extrem gewalttätige Rüpeltruppe in die Bestattungsvorbereitungen platzt und mit einer breiten Blutspur einen mutmaßlichen Kartenschatz aus dem Nachlass des Uropas an sich bringt. Auch in den anderen Handlungssträngen überschlagen sich derweil die Ereignisse mit immer neuen Volten und viel Action.
Da spielen ominöse Spezialeinheiten eine ebenso krude wie skrupellose Rolle, außerdem beharrt Marschall Helene Nikita Feist, die machtbewusste Verteidigungsministerin, auf der Führungsrolle der NVA gegenüber dem übermächtigen MfS. Wer aber sind die eigentlichen Drahtzieher hinter einem offenbar unmittelbar drohenden gewaltigen Terroranschlags und vor allem: was ist die eigentliche Bedrohung?
Es sei nur noch verraten, dass die Schraube ständig weiter angezogen wird und alles auf ein wahnsinniges Paukenschlagfinale zustürmt. Das ist in höchstem Grade atemberaubend und filmreif und erhält seinen besonderen Reiz insbesondere durch die hervorragend ausgestaltete pseudorealistische Politszenerie. Fazit: ein absolutes Meisterwerk für Freunde raffinierter Hochspannungsliteratur. Kleine zusätzliche Leckerbissen liefern im Übrigen das Nachwort und der Glossar.

# Maxim Voland: Die Republik; 526 Seiten; Piper Verlag, München; € 22

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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