ANDREAS FAHRMEIR (Hrsg.): „DEUTSCHLAND. GLOBALGESCHICHTE EINER NATION“


Andere Länder haben es vorgemacht und nun gibt es sie auch bei uns: „Deutschland. Globalgeschichte einer Nation“. Herausgebracht hat sie Andreas Fahrmeir, seines Zeichens Professor für Neuere Geschichte an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Rund 2000 Jahre Geschichte werden in 177 kompakten Kapiteln von maximal fünf Seiten Länge abgehandelt. Die meister der Autoren sind Historiker, zu denen sich einige Journalisten und Schriftsteller gesellen. Die Reihenfolge ist chronologisch, allerdings wird hier nicht die umfassende Historie Deutschlands samt seiner Entstehung erzählt.
Das voluminöse Kompendium konzentriert sich vielmehr auf eine Auswahl von Blickpunkten, die unsere Geschichte in Soziologie und Politik aber auch in Kultur, Wissenschaft und Technik ausmachen. Spürbar im Vordergrund stehen dabei die Wechselwirkungen – deshalb ja auch „Globalgeschichte“ - zwischen den Exporten deutscher Werte und Errungenschaften und und den Prägungen, die unser Land von außen erfuhr.
Das setzt im Vorlauf vor 400.000 Jahren ein mit dem Homo heidelbergensis und endet mit einem Augenzwinkern, nämlich nicht mit dem katastrophalen Corona-Jahr 2020 sondern mit dem Jahr 20XX – da wagte der Herausgeber offenbar nicht an die tatsächliche Fertigstellung und Inbetriebnahme des Berliner Großflughafens noch in diesem Herbst zu glauben – mit dem dazugehörigen Artikel unter dem ironischen Titel „Wegen Eröffnung auf Dauer geschlossen.“
Es sind jeweils Jahreszahlen vorangestellt wie zum Beispiel 9 v. Chr. Für die Varus-Schlacht, dem nicht wirklichen Urknall einer deutschen Nation. Ein herausragendes Qualitätsmerkmal dieser lexikonähnlichen Geschichtserzählweise ist die Brillanz, mit der die meisten Kapitel auf den wenigen Seiten komprimiert und zugleich gut verständlich ihr Thema vermitteln wie etwa beim komplexen Thema Investiturstreit 1077 (Heinrich IV. und sein Gang nach Canossa).
Der schwergewichtige Band breitet eine nicht-patriotische Nationalgeschichte aus, gleichwohl kann es nicht so sehr verwundern, wenn die „Exporte“ in die Welt die „Importe“ deutliche überwiegen. Meilensteine der Zivilisation wie Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks 1454, Luthers Reform der christlichen Kirche ab 1517 oder Karl Marx 1848 mit dem Kommunismus.
Weit weniger bekannt und doch ebenfalls mit solch weitreichenden Folgen dann auch Kapitel wie zu Johannes Schöner mit dem Globus von 1515, erstmals mit Amerika darauf, oder 1592 in deutschen Landen entstanden die Idee einer allgemeinen Schulpflicht. Neben dunklen Kapiteln wie zum Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust gesellen sich aber auch nette Nebensächlichkeiten wie die im Jahr 1758 angesiedelte Erfindung des „Hamburgers“.
Neben großen Namen von Beethoven über Einstein und den Gebrüdern von Humboldt darf auch der VW-Käfer nicht fehlen oder das Kapitel, das eine solch global erfolgreiche Idee wie die des mp3 von 1997 auf deutsche Erfinder zurückführt. Aus vielen fundiert dargebrachten Perspektiven entsteht so ein überraschend anderes Bild Deutschlands – nicht neu erfunden aber andersfarbig. Und so lebendig erzählt, dass man immer wieder gern auf Entdeckungsreise in dieser Globalgeschichte geht.


# Andreas Fahrmeir (Hrsg.): Deutschland. Globalgeschichte einer Nation; 936 Seiten, 6 Abb., 6 Karten; C. H. Beck Verlag, München; € 38


WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

 

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen.


Kennziffer: SB 452 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de