PAUL MAAR: „WIE ALLES KAM“


Besonders durch die weltweiten erfolge seiner Kinderbücher um das Sams gehört Paul Maar zu den beliebtesten deutschen Schriftstellern. Nicht zuletzt durch Anregungen nach einer Herzoperation begann der 82-Jährige dann, seine Memoiren zu schreiben.
Nun liegen sie unter dem Titel „Wie alles kam“ vor. Doch Maar betont im Untertitel, dass dieses Buch keine Autobiographie im eigentlichen Sinne sondern vielmehr ein „Roman meiner Kindheit“ sei. Ein kluger Schachzug, denn so musste der Autor nicht detailgetreu in der eigenen Vergangenheit recherchieren und auch keine – ohnehin nicht vorhandenen – Tagebücher auswerten.
Und schließlich seien Erinnerungen kein großer Fluss, der sich allmählich immer mehr verbreitert. Vielmehr habe er sie als verstreute kleine und größere Pfützen nach dem Regen empfunden. Außerdem ermöglichte ihm diese Fiktionalisierung Sprünge zwischen Zeitabschnitten bis hin zu Erlebnissen auch als Erwachsener. Wobei vor allem die Passagen um seine inzwischen demenzkranke Ehefrau Nele berühren, die er bereits als Schüler kennengelernt hat.
Ihre Familie – sie war die Schwester des berühmten Kameramannes Michael Ballhaus – öffnete Maar den Weg zum Kunstschaffenden, denn es war eine Theaterfamilie. Zum Einstieg ins Buch allerdings geht Maar als Ich-Erzähler in die frühesten Erinnerungen als Vierjähriger zurück. Noch als Säugling hatte er seine Mutter verloren, kannte also nur die Stiefmutter, mit der er wegen des Krieges 1942 aus Schweinfurt in ein idyllisches Dorf zieht.
Dort verlebt der Junge eine glückliche Kindheit, in der insbesondere die Großeltern eine prägende Rolle spielten. Aber auch die unbeschwerten Spiele und die enge Freundschaft mit dem Nachbarjungen Ludwig sind unvergessene und wunderbar ausgebreitete Abenteuer.
Um so heftiger kommt dann der Bruch, als der Vater aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrt. Der ist verbittert und er zwingt Frau und Kind zur Rückkehr nach Schweinfurt. Das bedeutet für den knapp Zehnjährigen eine schlimme Wende, denn er verliert nicht nur die behagliche Familienidylle und seinen engen Freund. Dieser Vater bleibt fremd, ist autoritär und hat für den so andersartigen Sohn weder Verständnis noch Zuneigung, stattdessen setzt es häufig Hiebe.
Der weitere Weg des Ich-Erzählers wird aus Erinnerungsstücken zusammengesetzt und allmählich schält sich auch eine so wichtige Figur wie das Sams und auch dessen schüchtern-liebevoller Quasi-Vater Herr Taschenbier heraus. Der Schatten des echten Vaters bleibt gleichwohl durchgehend spürbar, so dass zu manch heiteren Passagen immer wieder auch berührende oder gar beklemmende kommen.
Das Alles liest sich sehr persönlich und fesselt auch dank der bekannt klaren und farbigen Sprache, in der Maar das angesichts seines Alters mit einer erstaunlich jungen Stimme erzählt. Wodurch dieser warmherzige Roman einer Kindheit um so authentischer klingt.

# Paul Maar: Wie alles kam. Roman meiner Kindheit; 301 Seiten; S. Fischer Verlag, Frankfurt; € 22

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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