LISA ECKHART: „OMAMA“


Lisa Eckhart stellt mit Abstand das Messerschärfste auf die Bühne, was das deutschsprachige Kabarett aktuell an Satire zu bieten hat. Die darf nach der Definition des großen Kurt Tucholsky so ziemlich alles und die 27-jährige Österreicherin muss man wahrlich nicht extra bitten, mit dem geschliffenen Säbel zuzuschlagen.
Nun aber legt die Meisterin des ebenso gifttriefenden wie grandios beherrschten Wortes ihren Debütroman vor. „Omama“ lautet der Titel und man fragt sich, ob es eine Hommage oder ein Rufmord werden wird. Die Autorin weist nämlich darauf hin, dass es sich bei dieser Helga offenbar um ihre eigene Großmutter handelt. Und sie warnt schon im Prolog: „Es hat sich fürwahr so zugetragen, wie ich es behaupten werde.“
Eingestimmt auf den Irrsinn der naturbedingten Doppelbesetzung von Omas, die auf Kollateralschäden bei der Ausübung ihrer Rolle selten Rücksicht nehmen, springt die Enkelin erst einmal in die Jugend ihrer Großmutter, die im Übrigen in Inge eine etwas ältere und stets beneidete, weil viel ansehnlichere Schwester hatte.
Der Neid wird um so größer, als nun 1945 die Russen einrücken. Bei Familie Brandtner nisten sich einige sogar ins Haus ein und dazu wird die bereits 13-jährige und schon arg umtriebige Inge zur Sicherheit aber erfolglos unterm Bett versteckt. Was sich nun an Zusammenleben mit trinkfreudigen Besatzern und zwei Töchtern, von denen die eine noch nicht einmal eine Pubertät zu bieten hat, das ist schreiend komisch, entlarvend satirisch und kennt keine Hemmungen in der genüsslichen Darlegung von allzu Menschlichem.
Auf die durchaus erwünschten Vergewaltigungen müssen beide Gören verzichten und dabei bekommt die Ältere doch endlich auch ihre Tage: „Die Inge ist jetzt bezugsfertig.“ Und immer mehr wühlt sich Enkelin Lisa als Ich-Erzählerin in die steiermärkische Provinz. Da werden die Mädchen zum Geldverdienen dann in Haushalte entsandt und die Unterschiede sind erneut typengemäß.
Die bravere Helga arbeitet als Kinderfrau bei einem Arzt und die Inge als Kindsfrau eines Professors, zum äußersten Unwillen der Frau Professor. Eine unfreiwillige Verschickung Helgas eröffnet dann den zweiten Teil und da soll sie tatsächlich auf ein Dorf, um den dortigen Wirt zu ehelichen. Was aufgrund einer noch vorhandenen, sehr resoluten Wirtin entfällt, doch Helga bandelt ohnehin lieber mit dem Dorfschönling an.
Das Dorfleben mit und rund um die spätere Omama ufert immer wieder in ebenso entlarvende wie abstruse Passagen aus. Und offenbart zunehmend eine grundsätzliche Schwäche des Romans: auf kleiner, dörflicher Ebene tut sich zwar allerhand, doch es bewegt sich nicht wirklich sehr viel. Die einzelnen Mosaiksteine glänzen vor hinterhältigem Witz, doch es wirkt fast wie täglicher Konsum von Schampus und Kaviar, was dann irgendwie fad wird. Weniger wäre da mehr gewesen und erst zum großen Finale knallen noch einmal so richtig die Korken.
Wenn die Enkelin die über 80-jährige Omama auf eine Kreuzfahrt begleitet, bleibt samt schwulem Kapitän kein Auge trocken. Das treibt spektakulär, gnadenlos realsatirisch und filmreif ins Finale. Und noch einmal werden insbesondere österreichische, provinzielle und Oma-Klischees mit boshafter Wonne ausgebreitet und es wird spürbar: die sind ja nicht von ungefähr entstanden.
Ein Lesevergnügen ist dieser Roman durchaus, sofern man so viel herrlich zelebrierte narzisstische Arroganz nicht nur zu schätzen weiß, sondern auch abkann. Dennoch gilt festzuhalten: Lisa Eckhart muss man hören, dieses unglaubliche, charmant herablassende Ätzen mit dem raunzenden Unterton eines übelgelaunten Helmut Qualtinger. Die Empfehlung für „Omama“ geht denn auch folgerichtig zum Hörbuch, das die Autorin in ungekürzter Fassung höchstselbst eingesprochen hat.

# Lisa Eckhart: Omama; 383 Seiten; Zsolnay Verlag, Wien; € 24
(Hörbuch: 13 Stunden 35 Min., Lübbe Audio)

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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