JODI MAGNESS: MASADA
Masada darf nie wieder fallen - dieser Ruf ist ein Grundsatz im wehrhaften
Staat Israel und er beruht auf der Überlieferung vom Massenselbstmord von 967 Juden auf
dem Felsplateau oberhalb des Toten Meeres. Doch was davon ist historisch belegt und was
nur Mythos?
Das versucht die renommierte amerikanische Archäologin Jodi Magness mit ihrem großen
Sachbuch Masada Der Kampf der Juden gegen Rom zu klären. Die
Professorin an der University of North Carolina in Chapel Hill ist wie kaum eine andere
prädestiniert für eine solche Untersuchung, denn 1995 leitete sie selbst die
Ausgrabungen in Masada.
In ebenso lebendiger wie anschaulicher Weise widmet sich die vielfach ausgezeichnete
Wissenschaftlerin zunächst der Überlieferung der historischen Ereignisse. Wobei es
jedoch nur eine historische Quelle gibt und dieser einzige antike Autor, der die
Belagerung die von Herodes dem Großen erbaute Palastfestung schildert, war der nicht
unumstrittene Flavius Josephus.
Er war der Chronist des Jüdischen Krieges von 66 bis 70 n.Chr., der darin endete, dass
die Römer Jerusalem und den 2. Tempel zerstörten. Sämtliche jüdischen Gebiete waren
damit erobert bis auf drei Widerstandsnester. Doch nur Masada blieb standhaft, so dass
Statthalter Flavius Silva schließlich um das Jahr 72 (oder 73) mit rund 8.000 Soldaten
anrückte, um auch dieses Rebellennest auszumerzen.
Während die Autorin hier nun detailliert die archäologische Forschungsarbeit vor Ort
beschreibt, die dank umfangreicher Funde die Professionalität und Effektivität des
römischen Militärs beschreibt, ist sie hinsichtlich der Vorgänge bei den Belagerten im
wesentlichen auf die Quellen des Flavius Josephus angewiesen. Hier galt es, sorgfältig
zwischen Fakten und Fiktion zu unterscheiden.
Gesichert sind dabei die Ausführungen über die Geschichte des Palastes auf dem 350 Meter
hohen Hochplateau, wozu auch hervorragendes Kartenmaterial und grafische Darstellungen
sehr hilfreich sind. Als reine Überlieferung widerspricht die Darstellung des einzigen
Chronisten allerdings in den Grundzügen der Wahrscheinlichkeit durchaus nicht.
Danach sahen die jüdischen Verteidiger neben Kriegern auch Frauen und Kinder
angesichts der militärischen Aussichtslosigkeit die sichere Niederlage vor Augen.
Und kamen zu dem spektakulären Entschluss: Lieber Tod als Knechtschaft! Um zu
unterstreichen, dass sie ihren Verzweiflungsschritt nicht wegen der Auszehrung durch die
Belagerung unternahmen, zerstörten sie zwar den Palast und die Festungsanlagen,
hinterließen jedoch gut gefüllte Zisternen und Lebensmittellager.
Selbst die bestens untersuchten archäologischen Überreste können nicht belegen, ob und
inwieweit der Massenselbstmord der 967 Juden tatsächlich stattgefunden hat. Zum
Selbstverständnis im modernen jüdischen Staat hat es gleichwohl in markanter Weise
beigetragen und nicht von ungefähr ist Masada die meistbesuchte historische Stätte in
Israel.
Fazit: eine meisterhafte Darstellung des mythenumrankten Geschichtsereignisses, die nicht
weniger als das zielführende Standardwerk zum Thema offeriert.
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