KATIE HALE: MEIN NAME IST
MONSTER
Katie Hale hat in ihrer britischen Heimat bereits mehrere Auszeichnungen als Lyrikerin
erhalten. Nun aber legt sie mit Mein Name ist Monster ihren Debütroman vor,
ein außergewöhnliches postapokalyptisches Werk, wie es kaum besser in unsere Zeit passen
könnte.
Erfrierungen und eine Kälte, die bis ins Herz schneidet: Sie sind der Preis fürs
Überleben. Das stellt die junge Frau für sich fest, die da mit einem kleinen
Motorboot an der schottischen Küste strandet. Lange hat sie tief im Bunker des
internationalen Saatgut-Tresors auf Spitzbergen ausgeharrt nach dem sogenannten Letzten
Herbst. In dem der Krieg mit Raketen, Bomben und Krankheitserregern die Menschheit
dahinraffte.
Wie sie ihre wenigen Habseligkeiten an Land schafft, das erinnert an Robinson Crusoe. Doch
sie ist noch verlassener als er und ihre entbehrungsreiche Wanderschaft, die sie nun
aufnimmt, wirkt noch ungleich einsamer als die des Vaters mit seinem jungen Sohn in Cormac
McCarthys Die Straße. Doch geht sie seltsam gelassen mit dem Alleinsein um:
Die Isolation macht mir nichts aus. Die schönsten Augenblicke meiner Kindheit habe
ich allein verbracht.
Nicht von ungefähr hatte sie ihr Vater schon von klein auf mit dem durchaus liebevoll
gemeinten Spitznamen Monster belegt, denn schon da war sie eine kratzbürstige
und introvertierte Außenseiterin gewesen. Ihre Wanderschaft führt sie nun zunächst zu
ihrem Heimatort, obwohl auch ihre Eltern durch den Krieg umgekommen sind. Dann findet sie
einen verlassenen Bauernhof, den sie sich mit kargen Mitteln bewohnbar macht.
In einer entvölkerten und großenteils zerstörten Welt wird die nicht weit entfernt
liegende Stadt mit ihren Supermärkten und Geschäften zu einer Art Quell desssen, was zum
Leben unbedingt nötig ist, denn nicht alles wurde geplündert und nicht alles wurde von
den streunenden Wolfshunden gefressen. Und mit der Einsamkeit geht sie in trotzigem
Fatalismus so um, wie sie es schon früher gehalten hatte: Ich hielt mich von der
unlogischen Komplexität anderer Menschen fern.
Doch auch sie, die ihre Andersartigkeit schon früher stets für richtig erachtet hatte,
kennt die Dreierregel des Überlebens: ohne Trinken überlebt man drei Tage, ohne Nahrung
drei Wochen, nach drei Monaten ohne Gesellschaft wird man verrückt. Und da stößt sie in
der Stadt auf ein mageres, verwildertes Mädchen, das auch unerklärliche Weise überlebt
hat. Wie selbstverständlich nimmt Monster die Kleine mit zu sich und muss ihr als erstes
das Sprechen beibringen.
Ich kann sie in Ordnung bringen, steht für sie fest und als wäre ein nie
vorhandener Mutterinstinkt von selbst angesprungen, nimmt Monster eine neue
Rollenverteilung vor: sie lässt sich Mutter nennen und schenkt dem Mädchen ihren Namen.
Und mit der neuen Rollenverteilung wechselt Teil 2 des Romans auch die Ich-Erzählerin,
denn nun erzählt die Heranwachsende.
Gib es in der postapokalyptischen Leere der von Menschenhand zerstörten Welt etwa doch
noch einen Funken Hoffnung? Darüber reflektiert die junge Protagonistin mangels
Erinnerungen nicht, die Beziehung zwischen Mutter und Monster dagegen entwickelt eine
überaus komplexe Mutter-Tochter-Dynamik. Als dann auch noch die Pubertät einsetzt,
entdeckt Monster nicht nur ihren Körper, das erste auf dem Hof geborene Lamm erweckt
einen unmöglichen Wunsch in ihr.
Nach der spröden Poesie im Bericht der so emotionslosen Gestrandeten kommt mit dem
ungebärdigen Teenager mehr als nur reiner Überlebenswille ins Spiel. Zu viel sei hier
nicht verraten, doch erneut gelingen der Autorin Szenen von herber Intensität, die lange
nachklingen. Fazit: ein tiefgründiges düsteres Meisterwerk für anspruchsvolle Leser,
das trotz der Untergangsstimmung nicht jede Hoffnung aufzugeben bereit ist.
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