ARIS FIORETOS: „NELLY B's HERZ“


„Bleib auf der Erde, Nelly, sonst fällst du früher oder später vom Himmel.“ Diesen dringenden Rat erteilt der befreundete Arzt Cornelia Becker, als er einen gravierenden Herzfehler bei ihr festgestellt hat. Eine Katastrophe für die junge Frau, die als erste Frau in Deutschland den Pilotenschein erworben hat.
Das ist der Einstieg zum neuen Roman des schwedischen Erfolgsautors Aris Fioretos, der den sinnvollen Titel „Nelly B's Herz“ trägt. Der Autor erläutert im Nachwort, dass er seine Heldin Nelly der echten Flugpionierin Melli Beese (1886-1925) nachempfunden habe, allerdings nicht in biografischer Treue.
Der Echten nachempfunden aber ist auf jeden Fall, dass Nelly Bildhauerei in Stockholm studiert hat, weil dies in der Heimat noch nicht möglich war. Und dass sie zur leidenschaftlichen Aviatikerin wurde, die mit ihrem französischen Ehemann Paul, einem Flugzeugkonstrukteur uind Piloten, vor dem Ersten Weltkrieg in Johannistal bei Berlin eine Flugschule eröffnete. Die im Krieg natürlich stillgelegt wurde und nach dessen Ende die Wiedereröffnung nicht lange wirtschaftlich überlebte. Worüber sich das flugverrückte Ehepaar nach unablässigen Streitereien trennte.
Im brodelnden Berlin der 20er Jahre fasst Nelly Fuß und ergattert mit ihren technischen Fähigkeiten einen Job bei BMW, wo sie die Motorräder wartet. Und durch die sich die große Wende in ihrem Dasein auftut, als sie der 14 Jahre jüngeren Irma Maak begegnet.
Mit der Nellys neues Leben – ein nur zwölfmonatiges Leben als „Duvölligverrückte“ - beginnt. Mit filigraner Sensibilität beschreibt Fioretos diese intensive, flirrende Liebesgeschichte der selbstbewussten Werbetexterin und der mal unsicheren, mal jubilierenden Pilotin. Für die diese Zeit etwas offenbart wie eine Erfüllung von etwas ungeahnt Ersehntem.
Und dem Autor gelingt auch das Kunststück, Nelly das alles in hinreißender Prosa selbst erzählen zu lassen. Mit viel Zartheit nun im Präsenz erzählt, zuweilen sehr poetisch, doch nie zuckersüß. Um so herber taumelt die inzwischen morphiumsüchtige Nelly dem Zugrundegehen entgegen und wie das Vorbild Melli Beese geht sie schließlich Ende 1925 mit eben erst 39 Jahren in den Freitod, wenngleich aus gänzlich anderen Gründen.
Fazit: ein ungewöhnlicher Roman um eine Flugpionierin und ihre Leidenschaft fürs Fliegen und für eine lebenshungrige junge Frau, der auch dank der exzellenten Schreibkunst des Autors überzeugt.

# Aris Fioretos: Nelly B's Herz (aus dem Schwedischen von Paul Berf); 333 Seiten; Hanser Verlag, München; € 24

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) 

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