CHRISTIAN GOESCHEL: MUSSOLINI
UND HITLER
Benito Mussolini und Adolf Hitler, Duce und Führer, das war die folgenreichste
Diktatorenfreundschaft der Geschichte. Aber war ihr ganz persönliches Verhältnis
wirklich so innig, wie es von außen schien?
Dieser Frage geht Christian Goeschel, deutscher Historiker an der University of
Manchester, mit seinem Sachbuch Mussolini und Hitler. Die Inszenierung einer
faschistischen Allianz nach. Hitler war noch ein Niemand, als Mussolini 1922 an die
Macht kam und ab 1925 als Diktatot an der Spitze des faschistischen Regimes Italien
beherrschte. Der nimmt den Emporkömmling selbst dann noch nur mäßig ernst, als dem 1933
die Machtergreifung gelingt.
Hitler buhlt um die Aufmerksamkeit seines Idols, das ihn mit seinem lautstarken Brimborium
fasziniert. Der jedoch bleibt unnahbar und erst im Juni 1934 empfängt er ihn mit
bombastischem Gepränge in Venedig. Diese erste Begegnung wirkt geradezu peinlich: ein
linkischer deutscher Diktator in Anzug und Filzhut entbietet den faschistischen Gruß und
der Duce in Paradeuniform gönnt ihm nur einen Handschlag. Und äußert sich später
intern geringschätzig über den Gast.
Hier wie auch später kommt es zu bisweilen stundenlangen Vieraugengesprächen, da
Mussolini recht gut Deutsch spricht. 17 Begegnungen werden es von 1934 bis 1944 und
entlang dieser Treffen untersucht der Historiker die Entwicklung der Verbindung zwischen
faschistischem und nationalsozialistischem Diktator. Wobei ein keinen Zweifel daran
lässt, dass die beiden extremen Narzissten einander persönlich nicht ausstehen konnten.
In der Sache aber war man sich ganz nah: Revanche für Versailles und eine faschistische
Neuordnung nicht nur Europas. Doch selbst die Gleichheit der Ideologien war nicht der
zentrale Kitt der Beiden, strategische Interessen dagegen um so mehr. Und sie
demonstrierten ihre politische Freundschaft nach außen hin so überzeugend, dass es das
italienisch-deutsche Bündnis stärker erscheinen ließ, als es tatsächlich war.
Stets spielte auf beiden Seiten Misstrauen eine Rolle, doch es war Mussolini, der
zunehmend in die Hinterhand geriet, je mächtiger und erfolgreicher Hitler wurde. Der
hatte die alleinige Macht rigoros durchgesetzt, während es Mussolini versäumt hatte, das
Königtum abzuschaffen, dem sich das Militär enger verbunden fühlte als dem
faschistischen Regime. Hinzu kamen Rücksichtnahmen auf Vatikan und Papst.
Beim Anschluss Österreichs ans Reich den Mussolini hatte vermeiden wollen
düpierte Hitler den Duce quasi mit vollendeten Tatsachen, indem er den Einmarsch erst an
ihn meldete, als er bereits unmittelbar bevorstand. Der Führer prägte dabei das
geflügelte Wort, mit dem er Mussolini in die zähneknirschende Zustimmung drängte: er
sie bereit, mit ihm durch dick und dünn zu gehen.
Immer mehr verkehrten sich die Machtverhältnisse zwischen den Beiden, als das Deutsche
Reich erfolgreich in den Zweiten Weltkrieg zog erst jetzt wurde auch das Bündnis,
der sogenannte Stahlpakt, besiegelt und Italien erst gegen Ende des
Frankreich-Feldzuges als Koalitionspartner eine blamable Rolle spielte. Noch ärger wurde
es, als Mussolini gewissermaßen als Revanche ohne vorherige Ankündigung im Herbst 1940
den Krieg gegen Griechenland vom Zaun brach.
Der dank strategischer und militärische Mängel ein solches Desaster wurde, dass die
Wehrmacht im Frühjahr 1941 hier ebenso hilfreich wie erfolgreich eingreifen musste wie
danach in Afrika. Hitlers Ernüchterung über den Duce als Kriegsherrn war gründlich,
doch Goeschel macht klar: Hitler und Mussolini hatten einen Punkt erreicht, an dem
es kein Zurück mehr von der Achse gab. Sie setzten die Achsenrhetorik fort und
behaupteten weiter, sie seien Freunde.
Weiterhin erzuegten sie gegenüber der Weltöffentlichkeit recht überzeugend den
Eindruck, dass alle wichtigen Entscheidungen über die Achsenstrategie von beiden
Diktatoren höchstpersönlich getroffen würden. Und bis zum Schluss hielten beide an der
zur Schau gestellten Freundschaft fest: Selbst als keiner der beiden Staatschefs den
anderen noch ertragen konnte.
Vom pompösen Imponiergehabe bis zu kleinlichen Eifersüchteleien, von der Befreiung des
abgesetzten und gefangengenommenen Duce durch ein SS-Kommando und die Inszenierung der
Rest-Republik Mussolinis von Hitlers Gnaden bis zu deren letztem Treffen als Gezeichnete
in der Wolfsschanze am 20. Juli 1944 gleich nach dem Bombenanschlag penibel wird
eine schicksalhafte Männerfreundschaft ausgeleuchtet, die nie etwas anderes war als eine
Inszenierung.
Fazit: eine Untersuchung, die auf spannende Weise Zusammenhänge aufdeckt, ohne die die
Weltgeschichte einen anderen Verlauf genommen hätte.
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